Das Schießen mit Airsoftwaffen. Spaß macht es – definitiv. Aber ist es eine Trainingsalternative zum scharfen Schuss?
Von mir kommt ein klares „Ja, aber...“.
Die Jungs von T-Rex-Arms haben in Ihrem bis dato meistgesehenem Video mit Liku aus Japan gezeigt, was jemand, der bisher nur Airsoft geschossen hat, an der scharfen Waffe leisten kann. Irgendwie scheint das Training also zu funktionieren. Ich behaupte jetzt, das Liku ein paar ganz wesentliche Dinge in seinem Training richtig gemacht hat. Und die sollte jeder sich zu Herzen nehmen, der ebenfalls mit Airsoft trainieren möchte.
1. Handhabung und Sicherheitsregeln gelten analog zu scharfen Waffen
Ich glaube, ich werde noch sehr oft das Wort „mindset“ in diesem Text in den Mund nehmen. Aber das spiegelt nur die Wichtigkeit desselben wieder. Es wäre fatal, beim Training plötzlich zu denken, man hat jetzt ja nur ein Spielzeug im Holster und macht deshalb irgendwas anders. Schneller kann man nicht zu Trainingsnarben und Sicherheitsverstößen kommen. Denkt daran: ihr wollt Muskelgedächtnis aufbauen. Ihr wollt euch viele Wiederholungen für das präzise und schnellere Schießen, für saubere Abzugsarbeit und einem dynamischen Ziehvorgang holen. Wenn sich euer Körper das für die Realwaffe merkt, merkt es sich auch einen halbherzigen Umgang mit dieser. Behandelt die Waffe weiter konsequent mit Respekt und nach Jeff Coopers vier Sicherheitsregeln.
2. Die Airsoftwaffe sollte in Abmessung und Handhabung den realen Vorbildern gleichen. Nutze deine Ausrüstung!
Für die gängigsten Waffensystem existieren zahlreiche Airsoft-Nachbauten. Betrieben werden diese entweder mittels Akku (S-AEG) oder Gas (CO2-Kartuschen oder Airsoftgas).
Ich empfehle allen Anwendern Waffen, die mit Airsoftgas betrieben werden und zusätzlich über ein sog. Blowback verfügen. Beim Blowback wird beim Schuss zusätzlich Gas in den Verschluss eingeleitet und simuliert einen Repetiervorgang. Der Gasdruck ist nicht ausreichend, um einen Rückstoß wie bei einer echten Schußabgab zu simulieren. Jedoch sind die Systeme dann so aufgebaut, dass tatsächlich durch den Repetiervorgang das nächste BB geladen wird. Dadurch entspricht die Bedienung der Waffe fast vollständig dem realen Vorbild. Das Muskelgedächtnis muss (und sollte!) nicht verändert werden.
Bei Waffen mit CO2-Kartuschen kann es sein, dass diese direkt in der Waffe verbaut werden und das Magazin nur die BBs enthält. Dadurch entspricht dies ggf. nicht mehr den Originalmaßen und die Originalausrüstung kann nicht vollständig verwendet werden. Deshalb bei CO2-Waffen nochmal gesondert auf das Magazin schauen.
Die Abzugscharakteristik it ein weiterer Fallstrick, auf den man unbedingt achten sollte. Es ist utopisch, das exakt gleiche Abzugsgewicht und Abzugsverhalten bei einer Airsoft zu finden. Der Unterschied sollte jedoch nicht zu groß sein. Viele CO2-Waffen arbeiten so, dass durch die erste Hälfte der Abzugsarbeit ein neues BB ins Patronenlager geladen wird und die weitere Abzugsarbeit die Gaskartusche öffnet. Hat man sich einen korrekten Trigger-Reset antrainiert, so wird man bei Folgeschüssen nur Gas verschießen, da der Finger den Abzug nicht komplett verlassen sollte. Ein solcher Mechanismus ist daher Ausschlussgrund.
Das Schießen mit Airsoftwaffen hat einige Limitationen und auch Gefahren. Aber folgt man den oben genannten Regeln, lassen sich zahlreiche Vorteile nutzen:
Vorteil 1: Verfügbarkeit
Der allergrößte Vorteil ist, dass sich legal wie sicher im häuslichen Umfeld üben lässt. Jeder Raum ab drei Metern Länge lässt sich temporär umfunktionieren. Als Kugelfänge lassen sich gut Versandkartons nutzen, die mit Altpapier gefüttert wurden. Gemeinsam mit biologisch abbaubaren BBs ist das sogar souverän nachhaltig. Die Zielscheiben sollten nicht gerade vor ein Fenster gestellt werden und die Durchschlagskraft der eigenen Waffe vor einem sicheren Kugelfang getestet werden. Zudem sollte der Raum für das Training optimalerweise abschließbar sein.
Vorteil 2: Kosten
Eine kurze, zugegeben nicht sehr gründliche Google-Recherche zeigte mir: 10000 Schuss .22lfb: 800€. 10000 6mm BBs : 60€. Dazu kommt noch ca. 25€ Treibgas. Hochwertige Airsoftwaffen können durchaus 170€ (kurz) oder 600€ (lang) kosten. Die Kostenersparnis ist vor allem im Betrieb gegeben, nicht zu vergessen die ersparten Fahrtkosten und Schießstandgebühren. Es wird also umso günstiger, je mehr man schießt. Also noch eine Ausrede weniger, nicht zu trainieren.
Vorteil 3: Frequenz und Konsistenz
Aus Vorteil 1 & 2 kombiniert mit etwas Disziplin und Planung ergibt sich dieser Vorteil. Wie im Vorartikel zitiert, ist es neurowissenschaftlich erwiesen, dass wir für den Aufbau von Muskelgedächtnis viel Repetition benötigen. Und das verteilt auf viele Trainingseinheiten, nicht unregelmäßige einzelne. Hiermit möglich.
Vorteil 4: Force on Force
Ein weiterer Vorteil, den ich hier aber nur am Rande erwähnen möchte, da er einen eigenen Artikel verdient hat. Mit Airsoft ist prinzipiell und natürlich mit gewissen Limitationen auch Force on Force möglich. Ich baue hier wieder einen praktischen Cliffhanger ein und empfehle, einfach weiter regelmäßig bei Low Ready Magazine reinzuschauen.
Und weil ich es gerade schon erwähnt habe, möchte ich kurz noch auf Limitationen eingehen und den Hype etwas bremsen.
Limitation 1: Reichweite
Durch die niedrige Mündungsenergie und den glatten Lauf ist die Reichweite fürs ernsthafte Schießen stark begrenzt. Auch wenn man zahlreiche Berichte zu Schüssen auf 30 oder 40 Metern findet, gebe ich jetzt hier mal zehn Meter an. Warum? Die Airsoftkügelchen sind auch wirklich geometrische Kugeln und werden als solche durch Rotation entlang der horizontalen Achse stabilisiert. Bei den langsamen Mündungsgeschwindigkeiten und dem relativ schnellen Drall ist der Spindrift (man schlage hierzu im Long-Range-Lexikon nach) enorm. Zudem ist die relative Präzision viel geringer als bei Feuerwaffen. Präzisionsübungen werden daher schnell ad absurdum geführt.
ABER: eine der wichtigsten Grundfertigkeits- und Präzisionsübungen (Präzision = Wiederholgenauigkeit) ist der Dot-Drill. Und dieser wird Standardmäßig aus drei Metern Entfernung geschossen. Auch mit Feuerwaffen. Und wenn ich mir mein Standardübungs-Repertoire so ansehe, bin ich immer wieder erstaunt, wie selten man den vorderen Bereich der Schießbahn verlässt.
Limitation 2: Schießrhythmus
Die für mich viel relevantere Limitation: der Schießrhythmus. Selbst Airsoftwaffen mit starkem Gasrückstrom (blowback) haben keinen relevanten Rückstoß. Mit sauberer Grifftechnik wird dieser bereits negiert. Und eröffnet damit die große Chance des Selbstbetruges: man baut nur einmal ein Visierbild auf, konzentriert sich auf stabile Grifftechnik und drückt dann so schnell ab, wie der Zeigefinger es zulässt. Dieser Selbstbetrug führt zum Erlernen einer fehlerhaften Schießtechnik. Der Novize wird nicht gefordert, was die Rückstoßverarbeitung angeht. Ein schlechter Stand, fehlender natural point of aim und eine instabile Grifftechnik werden leicht verziehen. Diese Limitation ist für mich der Hauptgrund, weshalb eher Fortgeschrittene Schützen sich mit dem Training mit Airsoft beschäftigen sollten. Für Anfänger ist zunächst Trockentraining der absoluten Grundfertigkeiten sinnvoller. Denn – und das ist die wichtigste take-home-message – die Hauptgefahr von Airsofttraining sind nicht Abpraller, sondern die Entwicklung von Trainingsnarben. Und die tun deutlich mehr weh als ein 6mm BB.