Praktisch & Taktisch

Appendix Carry - „You gonna shoot your f-ing balls off!“

Was ist "Appendix Carry"? Wir schauen uns heute diese populäre Trageweise an und was sie so beliebt macht.

"Du schießt dir doch die E**r weg!"

So (oder eine eingedeutschte Variante davon) lautet ein häufiger Kommentar, wenn ich mit einem Appendix-Carry-Holster (also ein Holster, mit der die Waffe vor dem Bauch getragen wird) auf einem Schießstand auftauche. Und das ist nicht ganz unverständlich. Zugegeben, auch ich hatte ein komisches Gefühl, als ich zum ersten Mal im Appendix-Stil getragen habe. Wir haben alle gelernt: Die Mündung einer Waffe zeigt niemals auf etwas, das ich nicht bereit bin, zu zerstören. Doch beim Appendix-Carry zeigt die Mündung auf etwas, das ich ganz sicher nicht zerstören möchte (um es klar zu sagen: die Leistenarterie). Lassen wir es mich also gleich ganz einfach ausdrücken: Wenn ihr eurer Waffe und eurer Fähigkeit, sie zu ziehen – auch oder gerade unter Stress – nicht zu hundert Prozent vertraut, dann ist das Tragen einer Waffe (noch) nichts für euch. Und wir sprechen hier nicht nur vom IWB oder verdeckten Tragen, sondern vom Waffenführen allgemein. Wenn ihr an diesem Punkt noch weiterlest, möchte ich gerne erklären, warum.

Wie oben erwähnt, hatte auch ich zu Beginn ein komisches Gefühl beim Tragen von einem IWB- (Inside the Waistband, also "innerhalb des Hosenbundes") oder mit einem Appendix-Holster. Vor allem jedoch erinnert es mich an eine klare Wahrheit: Schusswaffen sind keine Spielzeuge. Lassen wir uns nichts vormachen, sie hatten ursprünglich nie den Zweck, nicht zu verletzen oder zu töten – und genau das können sie. Dafür sind sie konstruiert.
 

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Bild oben: Der Ziehvorgang muss konsistent und wiederholgenau sein – alle Klamotten müssen aus dem Weg sein – beim Ziehen UND beim Holstern.

 

Diese Erkenntnis beim Appendix Carry zwang mich dazu, meinen Ziehvorgang neu zu erlernen und, noch viel wichtiger, das Holstern der Waffe. Wenn ich Waffenhandhabung unterrichte, wird mir oft die Frage gestellt, ob man beim Holstern Augenkontakt mit der Waffe haben sollte. Früher sagte ich: „Nein, das muss auch ohne gehen“, weil ich ein Fan des Muskelgedächtnisses bin. Oft beruhte diese Frage darauf, dass dieses noch nicht entwickelt war und viele Bewegungen nur mit voller Konzentration und willkürlich durchgeführt werden konnten. Heute würde ich jedoch ganz klar sagen: „Ja, unbedingt!“ 

Holstern ist die eine Sache, bei der es keinen Sinn macht, sie schnell auszuführen. Der Beste Ziehvorgang ist Holstern rückwärts. Und ich bin mir nicht mehr sicher, woher ich das Zitat habe, aber es ist eindeutig korrekt: „Niemand hat je ein Feuergefecht gewonnen, weil er schnell geholstert hat“. Und auch sonst fällt mir beim besten Willen kein Szenario ein, wo ich einen Vorteil durch einen sehr schnellen Holstervorhang habe.

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Und noch viel wichtiger: die häufigste Schussverletzung in den USA (wo sehr viele Menschen Waffen tragen) ist ein Durchschuss durch den Oberschenkel. Und das passiert häufiger beim Holstern als beim Ziehen. Daher, in welcher Umgebung und in welchen Mindset man sich auch immer befindet: man sollte mental mit der Schussabgabe abgeschlossen haben, bevor man mit dem Prozess des Holsterns beginnt. Einer der Gründe, warum ich allergisch auf "die Waffe direkt nach der Schussabgabe runternehmen und Holstern" reagiere. Der Schuss ist gebrochen und mental ist die Waffe schon weggepackt. Ist sie aber noch nicht. So sollte es gehen: Nachzielen und ein Visierbild wiederherstellen. Bewusst entscheiden, dass man nicht mehr schießen möchte. Der Finger wird lang und verlässt den Abzug. Mach dein Scan and Asses, show empty and clear, hammer down oder was auch immer in deiner Welt notwendig ist. 

Aber dann sollte eine kurze geistige Pause folgen. 

Stelle sicher, dass der Weg zum Holster frei ist, ohne Kleidung oder Hindernisse auf dem Weg. Das ist besonders wichtig beim verdeckten Tragen - Kleidung kann leicht in das Holster gelangen, vor allem dann, wenn man beim Training wiederholt zieht. Und: gerade bei IWB sollte einem die Anschaffung eines hochwertigen Holsters das Geld wert sein, dass ganz sicher nicht kaputt geht oder verrutscht.

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Bild oben: ein robustes Holster ist eine notwendige Anschaffung für IWB; ich kann Black Trident oder T.REX ARMS empfehlen (Foto: Black Trident)

 

Nach diesem Vortrag könnte man meinen, ich hätte selbst Bedenken, IWB oder Appendix zu tragen, oder? Habe ich aber nicht. Im Gegenteil. Durch John Lovell habe ich realisiert, dass die Mündung einer geholsterten Waffe immer auf irgendetwas zeigt. Bei 3 bis 4 Uhr ist es unser Gesäß, das wir auch nicht beschießen wollen. Wenn wir eine Waffe offen tragen, ist es unser Bein. Selbst bei sog. Drop-Leg-Holstern streift die Mündung regelmäßig zumindest noch den Fuß. Und wir wollen gar nicht wissen, wo die Mündung manchmal hinzeigt, wenn wir einen unsauberen Ziehvorgang durchführen.

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Bild oben: Beweis gefällig? Nur weil du deine Waffe offen (oder OWB, „Outside the Waistband“) trägst, bedeutet das nicht, dass die Mündung immer nur den Boden überstreift.

 

Deshalb: Trainiert euren Ziehvorgang, bis ihr ihn stressresistent und sicher könnt. Und vertraut eurem Holster. Oder tragt eben generell keine Waffe am Körper.

Und das soll kein Trash-Talk sein. Es ist für mich vollkommen ok, sich nur mit auf dem Schießstand mit offen abgelegten Waffen wohlzufühlen. Aber ich würde allen sehr empfehlen, einen Trainingsweg einzuschlagen und zu verfolgen, der dazu führt, dass man sich mit dem Tragen von geladenen Waffen wohlfühlt. 

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Bild oben: Das Endergebnis, das wir alle vermeiden wollen. Eine Hohlspitz-Kurzwaffenpatrone hat den Oberschenkel durchschlagen und ist am Fibulakopf zum Liegen gekommen. Die Kraft hat noch ausgereicht, den Fibulakopf vom Schaft abzuscheren.

 

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Titelbild: GBRS Group