Die ARCHON FIREARMS Type B Gen 2 im Ersteindruck. Ein Tag mit dem Polymer-Underdog.
Ich gehöre zu den Menschen, die schon 2014 der Ur-Version der heutigen Archon Typ B Gen 2 verfielen. Damals tauchte sie als „Стриж“ (gesprochen „Strizh“, zu dt. „Mauerfalke“) in einem Video der Delta-Force-Legende Larry Vickers auf. In der Hand eines vermeintlichen Spetznaz-Operators wurden dabei in einem „Cold Start Drill“ einem Teamkollegen drei Schuss auf seine ballistische Weste abgegeben. Der bedankte sich mit einem einzelnen Schuss auf eine Zielscheibe neben dem Kopf des Schützen.
Die Pistole, die daraufhin international als „Stryk One“ aus dem Hause Arsenal Firearms bekannt wurde, passte mit ihrem eigenwilligen Design – im speziellen der ultraniedrigen 12mm-Laufseelenachse und dem „Press-Check“-Ausschnitt am vorderen Ende des Verschlusses – perfekt zur Kuriosität des Videos. Die gesamte Waffen-Szene redete über das Video und jene Waffe, die bereits 2012 auf der IWA vorgestellt, mehrheitlich aber übersehen wurde. So schien es. Zehn Jahre später verbringe ich für LOWREADY MAGAZINE mit Michael "Gasti" Gast und Sven „Stolle“ Stollenwerk einen Tag mit der aktuellen Iteration dieses Poly-Prachtstücks. Die aktuelle Variante wird als Archon Type B Gen 2 von ARCHON FIREARMS exklusiv von Gasti und Stolle über die 1 MOA GmbH in Deutschland vertrieben. Im direkten Vergleich mit meiner auf einen Gesamtwert von knapp €2.500 getunten Glock 45 zieht die Archon Type B Gen 2 im Test gleich. Es ist vielleicht ab Werk die beste Polymerpistole, die niemand schießt. Und ich habe sie gekauft.
Bild Oben:
In diesem Larry Vickers Video trat die Ur-Version der Archon das erste mal für mich medienwirksam in Erscheinung. Bildquelle: Larry Vickers YouTube Channel http s://www.youtube.com/watch?v=rI01qKAqYts&t
Kontaktaufnahme mit der Archon Type B Gen 2
Schon beim ersten Press-Check über die Aussparung am vorderen Verschlussende stellt sich ein Grinsen ein. Front-Serrations, also die Griffrillen im Verschluss, sind mittlerweile Standard. Was aber die Archon Type B Gen 2 hier in Sachen Design wagt, ist eine klare Bekennung zur modernen Waffenhandhabung und eine willkommene Alternative zum Industrietrend, Griffrillen einfach nur noch aggressiver zu fräsen. Trotzdem gibt es die Waffe „für Anhänger einer konservativeren Optik“ auch ganz ohne diese Aussparung unter dem Modellnamen „Type D“.
Beim ersten Repetieren zeigt der Verschluss kein Spiel und sitzt schwer und satt auf dem Griffstück. Darunter ein nitrierter 4,3-Zoll-Lauf mit 1:10-Rechtsdrall. Beim ersten Zupacken wirkt der modulare Griff in der vollen Ausbaustufe endlos. Er lässt die zwei mitgelieferten 18-Schuss-Magazine in 9x19 mm bündig abschließen. Die beiden mitgelieferten kürzeren 16-Schuss-Magazine passen so nicht. Dafür müssen wir per einfachem Steckverfahren einzelne Elemente des Griffstücks herausnehmen. Nun haben wir ein kompakteres Griffstück. Die 18er Mags können jetzt weiterhin benutzt werden, stehen aber nun etwas hervor. Wer bei dem Gedanken die Nase rümpft, dem sei versichert, dass diese Herangehensweise in Glock-Kreisen bereits seit Jahrzehnten gelebte Magazinkultur ist. Ein subkompaktes Magazin ist laut Hersteller ARCHON FIREARMS gerade in der Testphase. Aber wir schweifen ab.
Meine Daumen liegen mittlerweile am Griff final übereinander, der Knöchel meines Mittelfingers freut sich über den serienmäßigen „undercut“ bei der Archon Type B Gen 2. Der Dremel bleibt also in der Schublade.
„Wie hoch kann man dieses Ding bitte greifen?“, denke ich mir noch, während das ausladende Beaver-Tail in die Wurzel zwischen Daumen und Zeigefinger meiner Schusshand drückt. Ist der Griff einmal aufgebaut, fühlt es sich dank der tiefen 12mm-Laufseelenachse an, als hielten meine Hände die Waffe direkt auf Höhe des Patronenlagers. Mein linkes Auge fokussiert das Ziel, meine Arme schieben die Archon Type B Gen 2 mit dem vormontierten Aimpoint Acro P2 Rotpunkt in eine Linie mit meinem rechten Auge. Mein Finger baut Druck auf das flache, leicht vorwärts gewinkelte Abzugszüngel. Kurzer Vorzug, dann kommt die „Wall“. Der Schuss bricht angenehm mit einem minimalen Rollen. Der Abzug landet nach einem sehr kurzen Reset direkt wieder satt am Druckpunkt. 4,5 Pfund Abzugsgewicht, was ungefähr knapp 2 Kilogramm entspricht. Mein Grinsen wird nun auch von Gasti und Stolle bemerkt.
Bilder unten: Feature Übersicht des Herstellers / Bildquelle : archonfirearms.com
Meine Gedanken wandern jetzt zu meiner aufgebrezelten Glock 45 MOS. Bis in die Haarspitzen getunt, im Wert von nun fast €2.500. Ohne Aimpoint Acro P2 Optik. Dafür mit Ramjet-Lauf und Afterburner-Kompensator, Glock Performance Trigger, hoher Schalldämpfer-Visierung, Larry Vickers Flat Trigger, extra Magazinen und Einzelbeschuss… Die Archon Type B Gen 2 OR kostet inklusive dem Acro P2 fast €200 weniger. Ohne spart man ganze €800. „Wenn die Glock sich heute komplett rasieren lässt, werde ich den Drehpausen meinen beleidigten Blick nicht verstecken können“, denke ich mir noch. Dann ruft der Kameramann „ACTION.“
„Wenn die Glock sich heute komplett rasieren lässt, werde ich in den Drehpausen meinen beleidigten Blick nicht verstecken können“
Präzisionsübung zum warm werden mit der Archon Type B Gen 2 und dem Dot-Drill.
Wir starten mit einem Dot-Drill auf 3 Metern. Das Schussverhalten der Archon Type B Gen 2 ist flach. Es macht so viel Spaß, dass ich mich zum „overpacen“ verleiten lasse. Der zwei-Euro-große Kreis wird von einer vertikalen Trefferfläche durchzogen. Die starre Visierung kann mit der schwarzen Kimme und dem Leuchtsammler-Korn trotz Red-Dot weiter genutzt werden. Nicht „co-witness“, aber immerhin als „lower third“. Kimme und Korn liegen also im unteren Drittel des Sichtfensters. Möglich wird dies durch die direkt auf den Verschluss geschraubte Optik. Derzeit gibt es drei verschiedene Modelle der Archon Type B Gen 2 in Bezug auf den Optic Cut: ACRO, RMR und RMS. Vier Modelle, wenn man die Version ohne Optic Cut mitzählt. Der niedrige mechanische Offset fällt mir direkt auf: Mit der Glock halte ich den Rotpunkt beim Dot-Drill immer auf dem oberen Rand an. Hier nur sehr knapp über der Mitte. Treffer.
Für alle die den Dot-Drill nicht kennen, empfehlen wir eines unserer ersten Videos aus dem Jahr 2018.
Präzise Schussserien unter Zeitdruck. Der Handgun-Skill-Test von HunTac in maximal 2,3 Sekunden aus dem Holster mit der Archon Type B Gen 2.
Der primäre Anwendungsbereich meiner Pistolen fußt konsequent im „Praktischen Schießen“. Also stellt sich mir direkt die Frage, wie schnell ich diese Pistole kontrolliert schießen kann. Der „Handgun Skill Test“ von Schießausbilder Oliver Falk liefert auf diese Frage eine verlässliche Antwort, denn er ist eine direkte Ableitung aus dem Prüfungsprogramm der Federal Air Marshal Service (FAMS).
Der Drill wird aus dem Holster gestartet, sobald der Timer ertönt. Nach 2,3 Sekunden ertönt ein zweiter Beep. Innerhalb dieser Zeit platziere ich mit meiner Race-Glock auf 5 Metern verlässlich 6 Schuss in die große Alphazone eines IPSC-Targets.Beep Ich ziehe die Archon Type B Gen 2 in langsamen 1,17 Sekunden, bis der erste Schuss bricht. Danach gebe ich sechs weitere Schüsse ab. Beep Der letzte Schuss bricht bei 2,32 Sekunden und ist damit um 0,02 Sekunden außerhalb des Zeit Limits. 0,21er Split Zeiten. Nicht schlecht für den Anfang.
Sven „Stolle“ Stollenwerk, selbst erfahrener Berufswaffenanwender, Ausbilder und rundherum Spitzentyp, sieht mein Grinsen. Unsere Blicke treffen sich. „Die Archon Type B Gen 2 hat einen Verriegelungsblock. Bei dieser Art der Verriegelung kippt der Lauf nicht wie beim modifizierten Browning-Verschluss nach oben ab zwischen den Schüssen. Weniger Bewegung und präziser.“ Jetzt grinsen wir beide. Beschrieben hat Sven soeben das patentierte „AF-Speedlock-System“, das seinen Namen zweifelslos durch den damaligen Hersteller „Arsenal Firearms“ bekam.
Wir schießen den ganzen Tag weiter. Die Glock legt vor, die Archon Type B Gen 2 legt nach. Bei beiden Pistolen schleifen wir die Splitzeiten herunter in den 0,18er Bereich. Bei keiner der beiden überwinden wir die magische Ziffer von 6 Schuss in unter 2,3 Sekunden. Dafür schaffe ich mit der Archon Type B Gen 2 aus dem Holster 10 Schuss in 2,87 Sekunden und beschließe in diesem Moment, sie zu kaufen. Kein Wunder, dass diese Pistole im Netz in einer Vielzahl an Reddit-Posts spaßeshalber als „Polymer CZ Shadow 2“ beschrieben wird. Auf der anderen Seite – auf Reddit gibt es nichts, was nicht gesagt wird. Trotzdem: Diese Pistole ist schneller als der österreichische Platzhirsch. Zumindest, wenn man nicht Milspec Mojo heißt. Außerdem ist sie trotz ultraniedriger 12mm-Laufseelenachse kein sündhaft teures Alien.
Der Zerlege- und Reinigungsprozess ist trotz AF-Speedlock-System nicht länger oder komplizierter als bei den bekannten Einträgen der Striker-Fire-Marktbegleiter und wird in diesem Video von unseren Freunden von VFGweaponCARE anhand des Firearm Pocket Sets Schritt für Schritt erklärt.
FAZIT
Der Striker-Fire-Polymerpistolenmarkt ist schon lange in einer Sackgasse fest. Die Archon Type B (D) Gen 2 reiht sich ganz oben in der Kategorie „Eigentlich besser als Glock“ ein und eroberte den Markt bislang nicht, weil es keine Glock ist. Dabei macht sie genau so viel richtig wie die beliebten Shadow-Systems-Waffen, bringt aber noch pfundweise Unique-Features mit. Die niedrige 12mm-Laufseelenachse, gepaart mit der lächerlich hohen Griffmöglichkeit, erhebt sie zum absoluten Schnellfeuer-Biest. Der Trigger ist gut. Das modulare Griffstück inkl. der mitgelieferten Magazine beherbergt enormes Potenzial für den Berufswaffenträger und Jäger.
Warum also Under-Dog statt Top-Dog?
Zum einen steht da der Preis. In der Standard-Edition kostet die Archon Type B Gen 2 imposante €1.390. Als Type D, also ohne Press-Check-Aussparung, €1.339. Das Wort „Standard“ ist meiner Meinung nach vom Hersteller ARCHON FIREARMS suboptimal gewählt: Es entsteht leicht der Eindruck, die „Standard“-Version der Archon entspräche dem Standard der etablierten Polymerpistolen-Landschaft und müsse deswegen auch preislich vergleichbar sein. Nichts liegt ferner. Es wird durch die Bank Außergewöhnliches geboten, und das kostet fairerweise auch mehr.
Die „Optik“-Modelle liegen preislich bei den OR (Optics Ready)-Versionen bei knapp €1.429 bis €1.469 und werden dann nur noch von den „SD“-Modellen mit Gewindelauf getoppt. Als „Rundum-Sorglos-Paket“ kann man sich bei der 1 MOA GmbH auch direkt das Ganze inklusive verbautem Aimpoint Acro P2 bestellen. Dann zahlt man €2.299 bis €2.439.
Mitgeliefert werden außerdem vier Stahlmagazine (2x 16 Schuss + 2x 18 Schuss), eine schicke Tasche und die Aufmerksamkeit eines jeden IPSC-Schützen, den man in den nächsten Jahren treffen wird.
Ein anderes Problem ist ebenfalls ein altbekanntes: Wer nicht auf Sig, Glock oder HK setzt, der ist beim Holster-Shopping einfach angeschmiert. Es ist nicht fair, aber nachvollziehbar. Die großen Holstermarken setzen auf Marktabdeckung, und auch das vierzigste Sig Sauer P320-Holster von Safariland, wird sich in Summe öfter verkaufen, als ein dediziertes Holster für die Archon Type B Gen 2. Wir empfehlen an dieser Stelle ein Custom-Holster von unseren Freunden von Black Trident, welches in Sachen Verarbeitung, Passform und Zuverlässigkeit den großen Marken in nichts nachsteht. Im Gegenteil.
Die Archon Type B Gen 2 von ARCHON FIREARMS wird in Deutschland exklusiv über die 1 MOA GmbH vertrieben. Ebenfalls gibt es die Möglichkeit, dort die verschiedenen Grifftexturen zu ordern.
1 MOA GmbH im Netz
Direkt zu den Archon-Modellen von der 1 MOA GmbH
Angaben des Herstellers Archon Type B Gen 2:
Kaliber: 9 mm Luger
Magazinkapazität: 16 Schuss kleines Magazin, 18 Schuss großes Magazin
Typ: Selbstladepistole
Visierung: offene Visierung
Abzug: Tactile - short reset
Beschalung Griff: Polymer, Oberfläche anpassbar
Farbe: schwarz
Gesamtlänge in mm: 196 mm
Gewicht: 840 g
Lauflänge in mm: 109 mm
Magazin: Stahlmagazin