Community & Kultur

Digitaler Wandel: Was die Behördenmesse Enforce Tac über die zivile Waffenzukunft aussagt

Eine Behördenmesse wie die Enforce Tac verrät viel über kommende Trends und Entwicklungen - und das auch im zivilen Bereich, insbesondere in digitalen Zeiten.

Inzwischen sind ein paar Wochen vergangen und die Nachlese hat längst begonnen: Was brachte die Nürnberger Behördenmesse Enforce Tac Neues? Nun, neue Produkte wurden vorgestellt, natürlich, und darüber haben wir hier auch schon berichtet. Und auch viele andere Medien haben über einzelne Neuheiten geschrieben, gesendet und gesprochen. Doch oftmals fehlt da etwas, denn gibt es nicht auch Interessantes jenseits einzelner Produkte zu berichten, quasi auf der Metaebene? Kurze Antwort: Aber ja, und zwar eine ganze Menge!

HK_MG.png
Moderne Optiken auf allen Waffen: Es wird überall digitaler, auch beim MG (Credits: Stephan G. Humer)

 

In der Waffenwelt brauchen behördlichen Produkte bekanntlich nie besonders lange, um auch in die zivile Welt zu gelangen (Legalität vorausgesetzt, logischerweise). Der nicht totzukriegende Mythos sagt, dass etwas nur gut sein kann, wenn es den Belastungstests der Profis aus Militär und Polizei standhält. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis bestimmte Trends und Entwicklungen von der einen (Enforce Tac) zur anderen (IWA) Messe wandern werden, in „zivilisierter“ Form, und dann irgendwann in die Märkte und Milieus einsickern. Eine für mich sicherlich besonders spannende Entwicklung wird sich als übergreifender Trend früher oder später voll und ganz durchsetzen: Alles, wirklich alles wird maximal digital. Wird das allen gefallen? Nein. Wird es zu verhindern sein? Nein. Wird es die Waffenwelt verändern, auch und gerade im zivilen Leben? Aber selbstverständlich.

WE LOVE SPARTANAT

WE. LOVE. SPARTANAT. Unsere Freunde von SPARTANAT.COM sind vielleicht das Urgestein der deutschsprachigen Gear-Szene. Ganz sicher aber das beste GEARMAG der Welt.

Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, als ein Zielfernrohr mit digitaler Entfernungsmessung mehrere tausend Euro kostete und bei den bekannten Händlern von den Kundinnen und Kunden wie ein Einhorn bestaunt wurde. Das ist erstens noch gar nicht so lange her und führte zweitens zu der Frage: Wer hatte so etwas? Vielleicht der eine, wirklich sehr reiche Jäger im privaten Umfeld – das wars. Doch inzwischen kann von Einhörnern dieser Art keine Rede mehr sein. Die Zeiten, wo so eine Optik innovativ und einzigartig erschien (und nebenbei noch extrem kostspielig war), die sind inzwischen vorbei. 

Elim6_EcommercePIC-Elk.png
Optiken wie der Burris Eliminator 6 sind Hightech, aber keineswegs (mehr) ein nahezu unbezahlbares Accessoire für reiche Jäger (Credits: Burris)

 

Und das war auf der Nürnberger Messe gut an einigen Trendhäufungen festzumachen. An gefühlt jeder Ecke einer jeden Messehalle gab es beispielsweise einen Drohnenanbieter. Schon seit einiger Zeit sind Drohnen ein mannigfaltiges polizeiliches Thema: für die LKW-Abstandsmessung, zur Beobachtung von Rotlichtphasen, bei der Suche nach Vermissten usw. Militärisch sowieso, da reicht ein Blick in Richtung Ukraine und jeder Kommentar erübrigt sich schnell. Und was kann dieser Trend für die zivile Schützenwelt bedeuten? Wenn man mal frei von (derzeitigen) rechtlichen und Traditionsbedenken phantasieren darf: Drohnen könnten bewegliche Ziele hinterher schleppen (Schleppziele statt Wurfscheiben), spektakuläre IPSC-Stage-Aufnahmen machen, die Trefferaufnahme dokumentieren, Material transportieren, insbesondere auf Outdoorständen mit großen Distanzen – und das automatisiert und kombiniert, nicht nur vereinzelt, sondern in der Masse. Drohnenschwärme, vernetzt mit KI, über den Köpfen der Outdoorschießenden, genutzt für Sport und Jagd? Die Frage ist längst nicht mehr, ob so etwas kommt, sondern wann.

22plinkster Drohne.png
Der YouTuber 22plinkster machte es schon 2018 vor: Trick-Shot-Übungen mit einer Drohne (Credits: Screenshot 22plinkster/YouTube)

Weiter zum Thema Optik. Hier war ebenfalls viel zu sehen: von immer besseren, robusteren, leistungsstärkeren Optiken für die direkte Waffenmontage über die Beobachtung und Auswertung von Flächengeschehen bis zu Simulations- und Trainingssystemen auf VR-Basis. Letztere sind natürlich besonders spannend für Zivilisten, und Optiken sind ja ohnehin ein Dauerbrenner. Auch hier wird immer mehr miteinander kombiniert: Vorstellbar (und nützlich) wären beispielsweise Optiken für Waffen, die alle möglichen Daten (Entfernung, Temperatur, Windgeschwindigkeit, Wettervorhersage, etc.) bieten, diese auch gleich auswerten, präsentieren und neue Daten (und damit Wetter- oder andere Verhältnisse) prognostizieren und so den Schützen über die Zukunft aufklären. Das Zählen der abgegebenen Schüsse ist ebenfalls nicht uninteressant, dazu eine immer bessere Trefferaufnahme, ebenso eine Beobachtung der Flugbahn eines Projektils – wer die Informationen hat, kann davon profitieren. Und das eben nicht nur im Behörden- oder Leistungssportsektor. Schaut man sich das Smart-Protector-System des belgischen Herstellers FN an, so wäre auch eine Optik denkbar, die bei der Jagd Alarm schlägt, wenn man aus Versehen auf einen Mitjäger zielt, der allein mit dem Auge nicht gut zu erkennen ist. Das Ganze dazu noch vernetzt, erneut mit KI-Unterstützung, und schon eröffnen sich ganz neue Perspektiven, in jeglicher Hinsicht.

FN.png
Auf der Website kommt er gut zur Geltung: FNs SmartProtectoR, der mithilfe digitaler Technik Less-Lethal-Schüsse auf Gesicht und Kopf verhindern soll (Credits: Screenshot FN-Website)

 

Drittes Beispiel: Kleidung. Der Markt für leistungsstarke Klamotten ist inzwischen riesig. Es geht dabei nicht nur um Tarnung oder Körperwärme, sondern um Leistungsfähigkeit jeglicher Art. Jacken und Hosen, die ihren Träger optisch oder thermisch „unsichtbar“ machen, sind vielleicht für den Sportschützen oder Jäger nicht so direkt spannend, vielleicht aber für Airsoft-Turniere. Kleidung, die Vitalfunktionen digital überwacht, dürfte nicht nur für Leistungssportler interessant sein, sondern schlicht für jedermann. Jacken mit immer besserem Stichschutz sind vielleicht etwas für die Jagd in sehr unwegsamem Terrain. Ebenso Jacken mit Trefferaufnahme für die Airsoft-Wettbewerber, aber auch das zuvor genannte Beispiel der Kleidung, die den Schützen eben nicht nur farblich warnt, wenn er auf einen Mitjäger anlegt. Und all diese Entwicklungen gibt es mit zig weiteren modernen Features: kühlend, wärmend, nässeabweisend, umweltschonend gefärbt, leicht recyclebar oder gleich aus Altmaterialien gefertigt. Und natürlich immer kombiniert mit KI, IoT und anderen digitalen Lösungen.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marc Henrichmann wird in der aktuellen BDMP-Verbandszeitschrift „V0“ (Ausgabe 01/2025) mit der Zusage eines waffenrechtlichen „Politikwechsels“ erwähnt. Die CDU-SPD-Koalition, für die sich der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz noch einen neuen Namen wünscht, soll sich also ins Zeug legen und eine komplette Neufassung des Waffengesetzes anstreben, so die angebliche Idee. Digitalisierung sollte, so meine Idee, in diesem Falle idealerweise gleich umfassend mitberücksichtigt werden, denn es wird sich viel ändern. Und das Allermeiste wird weder böse noch verwerflich sein, sondern einfach für Freude beim Sport und für Nachhaltigkeit bei der Jagd sorgen. Es kann und wird einen gewichtigen Beitrag zu einer modernen europäischen Gun Culture leisten. Wir werden es schon bald erleben.