Klein, führig und im Kaliber einzigartig – Der Karabiner .30 M1

Der M1 Carbine – die effektive, leichte Selbstladebüchse, die den Zweiten Weltkrieg und die Zeit danach prägte!

Der Karabiner M1 und seine Historie

Jeder der bereits gedient hat, kennt das: Das Gewehr wird besonders auf langen Märschen, Patrouillen oder nach einiger Zeit auf dem Übungsplatz schwerer und nerviger. Dennoch zieht jeder Soldat das Gewehr der Pistole im Gefecht vor. Im Zweiten Weltkrieg wandte man sich dieser Herausforderung zu und wollte eine neue Waffe entwickeln und ausgeben, welche vor allem für solche Kräfte ausgegeben wird, die nicht unmittelbar an der Front kämpfen mussten. 

 

Harte Fakten gleich zu Anfang:

Kaliber:7,62mmPatrone:.30 Carbine(7,62x33)
Geschossgeschwindigkeit V0:590m/sLauflänge:457 mm
Länge Waffe (max./min):904 mm/648 mm Züge/Richtung:4 / rechts
Höhe Waffe (ohne Magazin):120 mmMagazinkapazität:15/30 Patronen
Länge Visierlinie:540 mmEinsatzschußweite:250m
Kadenz:M1: 45; M2: 750Masse (ungeladen) :2,48 kg

 

Der M1 Carbine ist ein Selbstladekarabiner im Kaliber .30Carbine. Dieser ist ein Gasdrucklader, bei dem der Gasdruck durch eine Bohrung aus dem Lauf entnommen wird. Die Gasabnahmebohrung befindet sich ungefähr mittig an der Unterseite des Rohres. Das Gas strömt durch die Gasbohrung und treibt einen Gaskolben eine kurze Strecke in Richtung des Schützen. Dabei wird ein Gestänge rechts des Rohres in Bewegung gesetzt, welches den Verschluss entriegelt und nach hinten treibt. Außerdem verfügt das Gewehr G54 – wie die offizielle Bundeswehr Bezeichnung lautete – über einen starr verriegelten Drehzapfenverschluss. Die Schließfeder ist ebenfalls rechts des Gehäuses platziert und gewährleistet das erneute Verriegeln des Verschlusses nach dem Schuss.

 

m1-schnittbild.jpg

Bild oben: Schnittzeichnung M1 Karabiner mit Beschriftung der wesentlichen technischen Eigenschaften. (Foto: Leroy Thompson: The M1 Carbine, Bloomsbury Publishing, 2011, S. 19, Beschriftung durch Autor)

 

Technisch handelt es sich (entgegen der landläufigen Meinung) nicht um ein sogenanntes „Baby Garand“. Im Gegensatz zum Gewehr M1 Garand, verfügt der Selbstladekarabiner über ein gänzlich anderes Gassystem und eine andere Positionierung der Schließfeder. Zwar ist das äußere Erscheinungsbild dem Gewehr M1 relativ nahe, jedoch ist die verschossene Patrone, damit auch die Magazinkapazität und beim M2 sogar die Fähigkeit zum Dauerfeuer gänzlich gegensätzlich.

m1-verschluss.jpg

Bild oben: Der geöffnete Verschluss des Karabiners M1.

Der Einsatzzweck des M1 und seinen Derivaten war zudem gänzlich anders als beim Gewehr M1 Garand. Der Selbstladekarabiner sollte durch Kräfte geführt werden, die nicht primär in Kampfhandlungen verwickelt waren, so wie beispielsweise Logistiker oder Führer von Infanterieeinheiten und diente somit der Selbstverteidigung. Allerdings setzte die US Armee relativ bald auch in Fronteinheiten die Karabiner flächendeckend ein und ignorierte somit den intendierten Einsatzzweck.[1]

Der M1 Karabiner verfügte über ein Stangenmagazin mit einem Fassungsvermögen für 15 Patronen, später wurde für den M2 Karabiner außerdem ein 30 Schuss Magazin eingeführt.[2] Während der M1 und M2 Karabiner vollgeschäftet waren, handelt es sich bei dem M1A1 Karabiner um eine Version mit klappbarem Schaft aus einem Drahtgestell. Dieses war ursprünglich aufgrund des kleinen Packmaßes für die Verwendung durch Fallschirmjäger vorgesehen.[3]

In der Bundeswehr wurde das "Gewehr G54" vor allem bei Kampfunterstützern und Panzergrenadieren verwendet. Einige Infanterieverbände nutzten ebenfalls das G54. Hier zeigt sich wieder einmal die bittere Wahrheit des Improvisationszwangs, die bundesdeutschen Soldaten mit Waffen auszustatten.[4] Das G54 war äußerst beliebt aufgrund seiner Führigkeit und des geringen Gewichts. Trotzalledem fanden die Soldaten mit „Musspritzen“ (umgangssprachlich für Regenschirm) eine abwertende Bezeichnung für die sonst so beliebte Selbstverteidigungswaffe.[5]

m1-magazin.jpg
Bild oben: Die Magazine verfügen alle über Herstellerbeschriftungen. Da es sich bei den Fertigungen meist um welche aus einer Kriegswirtschaft handelt, sind verschiedene Hersteller nachweisbar. Hier exemplarisch "Autorye Company für die Inland Division of General Motors" (AI), "Union Hardware" (U) und "Underwood" (IU im Kreis) 

 

Der Karabiner M1 verfügte in frühen Versionen einen Sicherungsknopf in Form eines Querschiebers. Dieser wich jedoch (aufgrund von negativen Erfahrungen aus dem Krieg) ab 1945 einem Sicherungshebel . Dort kam es zu Verwechslung mit dem Magazinhalteknopf und führte so zu gefährlichen Situationen im Gefecht.[6] Zudem verfügte die ursprüngliche Version des M1 Carbine nicht über eine Bajonettaufnahme. Diese wurde zum Ende des Zweiten Weltkrieges eingeführt und findet sich daher zwar auf allen von der Bundeswehr verwandten M1 Carbines, jedoch nicht auf solchen, die im Krieg verwendet wurden. Gleiches gilt für die verstellbare Lochkimme.[7]

m1-seite.jpg
Bild oben, links: Bajonettaufnahme einer Nachkriegsversion des Karabiner M1

Bild oben, rechts: verstellbare Lochkimme der Nachkriegsversion 

 

Insgesamt verfügte die Bundeswehr über 34.441 Gewehre des Typs M1, M1A1 oder M2. Bei der Bundeswehr ging sie in den 1960er Jahren außer Dienst, als die einheitliche Ausstattung der Einheiten voranschritt und das Gewehr G1 für alle Soldaten ausgegeben werden sollte.[8] Das Besondere am M1 Carbine ist die einzigartige Patrone, welche nur für diese Waffe entwickelt worden ist. Das Gewehr M1 Garand in .30-06 Springfield war bei den Kräften der Kampf- und Führungsunterstützung nicht beliebt. Die Waffe war zu schwer und lang und behinderte das Mitführen der Sonderausstattungen bspw. bei Pionieren und Fernmeldekräften. Gleichzeitig wurde die damalige Alternative in Form von Kurzwaffen, aufgrund der mangelnden Durchschlagskraft und Reichweite, als unzureichend bewertet. Zudem waren Kurzwaffen wegen der hohen Ausbildungsdauer keine gute Alternative für eine querschnittliche Bewaffnung. Eine Mittelkaliberlangwaffe erschien hier als beste Lösung, um die Kräfte des rückwärtigen Raumes adäquat schützen zu können.[9]

m1-patrone.jpg
Bild oben: Die Patrone im Kaliber .30Carbine (Mitte) ist ein Novum und wurde speziell für den Karabiner M1 entwickelt. Auch heute ist sie in nur sehr wenigen anderen Waffen verwendet und stellt somit eine seltene Patrone dar. Zum Vergleich links eine Kurzwaffenpatrone im Kaliber .45 ACP (links) und eine Patrone im Kaliber .30-06 Springfield (rechts). 

 

Das Kaliber .30 Carbine stellt einen Kompromiss zwischen der starken .30-06 Springfield Patrone und den Kurzwaffenpatronen dar, hier insbesondere die .45 ACP Patrone. Mit einer Mündungsenergie (E0) von ungefähr 1.300 J (bei einer ungefähren Mündungsgeschwindigkeit von 600 m/s) erreicht die Patrone nach 200m noch eine Energie (E200) von 393 J.[10] Damit verfügt diese Patrone bei einer passablen Einsatzschussreichweite über noch deutlich mehr Energie als das Kaliber 7,65 Browning. Dieses besitzt vergleichsweise eine Mündungsenergie (E0) von nur 214 J.[11] Somit konnten Soldaten auf weite Entfernungen Schüsse präzise antragen und noch ausreichend Wirkung im Ziel erreichen. Dieser Umstand machte die Waffe im Zweiten Weltkrieg sehr beliebt und sehr erfolgreich. In den 50er Jahren bemängelten Soldaten im Koreakrieg allerdings die Mannstoppwirkung, da die Geschosse nicht durch die dicken Mäntel der koreanischen und chinesischen Soldaten drangen. Somit wurde die Waffe sukzessiv aus dem Dienst der westlichen Streitkräfte entfernt.[12]

Nach wie vor ist der Karabiner M1 allerdings eine der am meisten produziertesten Waffen der Welt und ist immer noch in vielen privaten Haushalten sehr beliebt.

 

 

Quellen zum Karabiner M1:

[1] Wollert, G., Lidschun, R., & Kopenhagen, W. (1996). Infanteriewaffen Gestern. Band 2. Berlin: Brandenburgisches Verlagshaus. S. 560-562

[2] Leroy Thompson: The M1 Carbine, Bloomsbury Publishing, 2011, S. 6

[3] Drost, H.-J., Hoß, P., & Schmidt, S. (2008). Gelboliv Band 2: Der Aufbau des Heeres in der Zeit von 1956-1958 als Teil der Geschichte der Bundeswehr. Die Ausstattung in der Aufbauzeit 1956-1958. Munster: Militärbuchverlag Drost. Seite 25. 

[4] Drost, H.-J., Hoß, P., & Schmidt, S. (2008). Gelboliv Band 2: Der Aufbau des Heeres in der Zeit von 1956-1958 als Teil der Geschichte der Bundeswehr. Die Ausstattung in der Aufbauzeit 1956-1958. Munster: Militärbuchverlag Drost. Seite 25.

[5] JP Weisswange Handfeuerwaffen und PzAbwHdWa der Bw S. 14-15

[6] JP Weisswange Handfeuerwaffen und PzAbwHdWa der Bw S. 14-15

[7] Leroy Thompson: The M1 Carbine, Bloomsbury Publishing, 2011 S. 27

[8] JP Weisswange Handfeuerwaffen und PzAbwHdWa der Bw S. 14-15

[9] Leroy Thompson: The M1 Carbine, Bloomsbury Publishing, 2011

[10] Werte stammen von modernen Fabriklaborierungen der Fa. Sellier & Bellot mit einem Geschossgewicht von 110grs und sollen als Richtwerte dienen

[11] Werte stammen von modernen Fabriklaborierungen der Fa. Geco mit einem Geschossgewicht von 73grs und sollen als Richtwerte dienen

[12] Leroy Thompson: The M1 Carbine, Bloomsbury Publishing, 2011