"Kurzwaffe auf der Jagd? Dat ham' wir früher zur Jagd nicht gebraucht!"
Wer das Bedürfnis verspürt, sich gerne irgendwo mal voll in die Nesseln setzen zu wollen, der tut gut daran, in der einen oder anderen Kreisjägerschaft die Frage zu stellen, ob er eine Kurzwaffe auf der Jagd führen sollte. Wer jemals einen Ausbruch einer Diskussion parlamentarischem Ausmaßes beiwohnen wollte - hier ist deine Chance. Aber wieso ist das so? das werden wir in diesem Artikel klären. Wir klären:
- Woher kommen die Diskussionen?
- Was sind die rechtlichen Rahmenbedingungen?
- Macht eine Kurzwaffe wirklich Sinn?
1. Woher kommen die Diskussionen?
Jäger dürfen im Rahmen der Jagdausübung Kurzwaffen führen. Doch längst nicht alle nutzen dieses Recht – im Gegenteil: Viele lehnen es kategorisch ab. Manche bezeichnen Jäger mit Kurzwaffe sogar abfällig als „Rambos“ oder „Möchtegern-John-Waynes“. Aber woher kommt diese Haltung? Ich habe eine Theorie: Es handelt sich um einen Fall von kollektiver falscher Erinnerung – oder, in abgeschwächter Form, um den sogenannten Mandela-Effekt.
Der Mandela-Effekt beschreibt ein Phänomen, bei dem viele Menschen fälschlicherweise dieselbe Erinnerung an ein Ereignis oder eine Tatsache haben – obwohl es so nie stattgefunden hat oder sich ganz anders zugetragen hat. Das bekannteste Beispiel: Zahlreiche Menschen erinnern sich daran, dass Nelson Mandela in der Gefangenschaft gestorben sei – tatsächlich wurde er 1990 freigelassen und später Präsident Südafrikas.
In meiner Zeit als Jäger hörte ich sowohl in Jagdschulen als auch von altgedienten Jägern immer wieder Aussagen wie:
„Eine 9mm reicht nicht, um einen Keiler zu stoppen“,
„Das Geschoss einer 9x19 durchdringt den Schädel eines Keilers nicht“,
und ähnliche Mythen. Diese Behauptungen wurden mit solcher Überzeugung vorgetragen, dass ich sie irgendwann selbst glaubte. Es ging sogar so weit, dass ich mich auf den Webseiten diverser Waffenhändler wiederfand – auf der Suche nach einem Revolver im Kaliber .500 S&W.

Ich weiß heute nicht mehr genau, wie es dazu kam, aber kurz darauf stieß ich auf die Geschichte von Bella Twin und dem legendären Rekordbären aus dem Jahr 1953. Sie war eine amerikanische Ureinwohnerin vom Stamm der Cree – und erlegte diesen riesigen Bären mit einer .22 lr (auch .22 lfb genannt, also einer randgezündeten Kleinkaliberpatrone). Ich war fassungslos. Wie konnte das sein?
Ist die 9mm also wirklich „underpowered“ – oder handelt es sich dabei um einen Mythos? Und woher kommt diese, fast "angeborene" Skepsis gegenüber Kurzwaffen? Ist der Einsatz der Kurzwaffe an sich überhaupt weidgerecht?

2. Was sind die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland?
Das Waffengesetz (WaffG) erlaubt einem Jäger seit dem 01. April 2003 mit dem § 13 Abs. 2 den Erwerb von 2 Kurzwaffen ohne Nachweis eines Bedürfnisses als sog. Grundausstattung.
„Das Bedürfnis wird unterstellt, dies gilt sowohl für das spezielle waffen- und munitionsbezogene Bedürfnis als auch für das allgemeine Bedürfnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 8 WaffG (und zwar) in Bezug auf Langwaffen und zwei (…) Kurzwaffen“
Waffenrecht, Steindorf, 10. Auflage, zu § 13 Rn. 6a.
Bis zum 1. April 2003 war das Führen von Kurzwaffen durch Jäger zwar grundsätzlich möglich – allerdings unter einer klaren Voraussetzung: Die Waffe musste zur Jagdausübung benötigt werden.
„...zur Jagd benötigt werden.“ Ja Moment - diese Formulierung kommt uns doch bekannt vor? Das haben wir doch heute schonmal gehört.
Tatsächlich war die rechtliche Lage vor der großen Novelle 2003 alles andere als eindeutig. Die Auslegung war eng, die Behörden streng, und die Argumentationshürde hoch. Wer mit Kurzwaffe unterwegs war, musste im Zweifel überzeugend darlegen, warum genau in diesem Fall eine Langwaffe nicht ausgereicht hätte. Das Ergebnis: Viele Jäger ließen es gleich bleiben – nicht aus Überzeugung, sondern aus rechtlicher Vorsicht.
Und genau diese historisch gewachsene Unsicherheit dürfte einer der Hauptgründe sein, warum auch heute noch beim Thema Kurzwaffe regelmäßig die Frage nach der „Notwendigkeit“ in den Raum gestellt wird. Ein Begriff, der sich offenbar hartnäckiger hält als manches Schwarzwild im Maisacker. Old habits die hard. Heute gilt für Jäger für das Führen von Kurzwaffen der §12 und §13 des WaffG:
„Einer Erlaubnis zum Führen bedarf nicht, wer Schusswaffen [...] im Zusammenhang mit der Jagdausübung [...] führt, sofern er zum Erwerb oder Besitz dieser Waffen berechtigt ist.“
§ 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG
"Bei Jägern, die Inhaber eines Jahresjagdscheines [...] (sind) erfolgt keine Prüfung der Voraussetzungen [...] für den Erwerb und Besitz von Langwaffen und zwei Kurzwaffen, sofern die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 vorliegen."
§13 Abs. 2 WaffG
Wir sehen also: Im deutschen Waffenrecht genießen Jäger eine Sonderstellung: Sie dürfen Kurzwaffen und Langwaffen führen, wenn dies im Zusammenhang mit der Jagdausübung steht – also auch auf dem Weg zur Jagd oder zurück. Im Gegensatz zu Sportschützen, die ihre Waffen nur transportieren dürfen (verschlossen, nicht zugriffsbereit), ist es Jägern erlaubt, ihre Waffen zugriffsbereit, aber entladen mitzuführen. Das unterstreicht die besondere Rolle der Jagd im deutschen Waffengesetz.
Diese Regelung schafft praktische Vorteile im jagdlichen Alltag, etwa beim Fangschuss oder zur Selbstsicherung im Revier.
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3. Macht eine Kurzwaffe Sinn auf der Jagd?
Ganz klar: Ja. Und zwar mehr, als viele glauben.
Wer sich mit dem Thema nüchtern auseinandersetzt – frei von Emotion, Tradition oder Stammtischgerede - muss zwangsläufig feststellen: Die Kurzwaffe ist kein Prestigeobjekt, sondern ein hocheffizientes Werkzeug für den jagdlichen Alltag. Sie kann in bestimmten Situationen nicht nur praktischer, sondern auch sicherer und waidgerechter sein als andere Alternativen – insbesondere bei Fangschüssen, in der Nachsuche oder beim verunfallten Wild.

Effizienz und Sicherheit im Revier
Ein konkretes Beispiel: Ein Stück Rehwild liegt nach einem Wildunfall regungslos im Straßengraben. Eine Schussabgabe mit der Büchse – etwa im Kaliber .308 – bringt 4.000 Joule oder mehr auf die Mündung. Auf Asphalt oder in der Nähe von Fahrzeugen ist das brandgefährlich – für Mensch, Tier und Dritte. Gleichzeitig ist der Einsatz der kalten Waffe, etwa eines Messers, nicht nur riskant, sondern auch für das Tier unnötig belastend. Für den Mensch ganz zu schweigen. Ein gezielter Schuss aus der Kurzwaffe aus kurzer Distanz bietet hier einen kontrollierten, tierschutzkonformen Abschluss.
Fangschüsse – Das unterschätzte Einsatzfeld
Bei Fangschüssen auf kurze Distanz, z. B. auf der Nachsuche mit Hundeführer, kann die Kurzwaffe ihre Stärken besonders gut ausspielen. Während eine Langwaffe in dieser Situation oft unhandlich ist oder die Schussabgabe gar nicht möglich macht, kann die Kurzwaffe schnell, präzise und sicher eingesetzt werden.
9mm Luger – Das ideale Kaliber?
Auch das Argument der angeblich „zu schwachen“ 9mm Luger hält einer sachlichen Prüfung nicht stand. Moderne 9mm-Munition – insbesondere in +P-Ausführung oder mit Teilmantelprojektilen – ist absolut ausreichend für Fangschüsse auf Reh-, Dachs- oder Schwarzwild aus nächster Nähe. Ihre Vorteile liegen auf der Hand:
- günstige Munitionspreise → mehr Übung möglich
- große Auswahl an Geschossen und Laborierungen
- kompakte, zuverlässige Waffenplattformen (Pistolen und Revolver)
- hohe Magazinkapazitäten und Nachladegeschwindigkeit
- deutlich reduziertes Risiko von Abprallern oder Durchschüssen

Ein Werkzeug wie jedes andere
Die Kurzwaffe sollte sich heute bei dir (als waidgerechtem Jäger) als Werkzeug ganz normal neben Büchse und Messer einreihen. Sie kommt immer dann zum Einsatz, wenn andere Optionen ausfallen oder versagen. Dabei ersetzt sie niemals die Langwaffe – sie ergänzt sie in kritischen Situationen. Auch das sollte immer mit erwähnt werden.
Wer sie führt, zeigt nicht Machogehabe, sondern Verantwortungsbewusstsein und Praxisnähe.
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FAQ: Die Kurzwaffe auf der Jagd – häufige Fragen
1. Ist die Kurzwaffe auf der Jagd in Deutschland erlaubt?
Ja. Laut §12 und §13 WaffG dürfen Jäger ihre Kurzwaffen im Zusammenhang mit der Jagdausübung führen – auch z. B. auf dem Weg ins Revier.
2. Wann ist die Kurzwaffe dem Messer vorzuziehen?
Immer dann, wenn Sicherheit und Tierschutz im Vordergrund stehen – etwa bei Fangschüssen aus nächster Nähe, bei verunfalltem Wild oder wenn die kalte Waffe zu riskant ist.
3. Welches Kaliber ist für die Jagd mit Kurzwaffe zu empfehlen?
9mm Luger gilt als ideal für die meisten jagdlichen Situationen mit Kurzwaffe: gute Verfügbarkeit, hohe Effektivität auf kurze Distanzen, niedrige Kosten, große Auswahl an Geschossen.
4. Braucht es besondere Ausbildung für den Kurzwaffeneinsatz?
Unbedingt. Nur wer regelmäßig trainiert und sicher mit seiner Waffe umgeht, kann sie im Ernstfall sinnvoll und waidgerecht einsetzen. Eine solide Ausbildung erhöht zudem die allgemeine Schießfertigkeit – auch mit der Langwaffe. Diese Ausbildung ist (bedingt durch die geringere Anzahl an Referenzpunkten an der Waffe selbst) aufwendiger als die Ausbildung an der Langwaffe. Hier macht ggf. ein professioneller Kurs bei einem renommierten Anbieter Sinn.
5. Was bringt mir die Kurzwaffe konkret im Revier?
Sie ist ein flexibles Backup, wenn es schnell gehen muss, wenn der Untergrund einen Büchsenschuss ausschließt oder wenn du sicher und effizient handeln musst – z. B. bei Nachsuchen, Wildunfällen oder Abfangsituationen.
6. Welche Geschosse machen in der Kurzwaffe im jagdlichen Kontext Sinn?
Grundsätzlich sollte man hier nicht auf Vollmantelgeschosse, sondern auf Teilmantel oder Hohlspitzgeschosse zurückgreifen. Von Vollmantelgeschossen muss beim Schuss auf Wild nur dringend abgeraten werden, da Vollmantelgeschosse beim Schuss aus der Kurzwaffe nur wenig Energie ins Zielmedium abgeben.
Zusammenfassung: Die Kurzwaffe ist ein unterschätztes Werkzeug – Zeit für ein Umdenken
Die Skepsis gegenüber der Kurzwaffe ist in Deutschland tief verwurzelt - historisch bedingt durch frühere Gesetzgebungen, in denen ihre Notwendigkeit stets kritisch hinterfragt wurde. Dieses Misstrauen wirkt bis heute nach. Doch das aktuelle Waffenrecht spricht eine klare Sprache: Der Gesetzgeber vertraut Jägern und räumt ihnen bewusst das Recht ein, Kurzwaffen zur Jagdausübung zu führen - ohne zusätzlichen Notwendigkeitsnachweis.
Dieses Vertrauen verdient es, verantwortungsvoll genutzt zu werden. Statt uns selbst durch überkommene Denkmuster einzuschränken, sollten wir die Kurzwaffe als das begreifen, was sie ist: ein hochentwickeltes, praxistaugliches Werkzeug. In entscheidenden Situationen - etwa beim Fangschuss oder in der Nachsuche - ist sie nicht nur legitim, sondern oft die sicherste und waidgerechteste Option.