Selbst junge, moderne und hartgesottene Shooter aus meinem Freundeskreis lieben "das Kleine Schwarze" in ihrer Sammlung.
Damit ist weder die Glock 26 noch die Sig 365 gemeint, sondern das häufig vom Papa vererbte oder geschenkte Laguiole mit schwarzen Hornschalen. Dabei ist das Handwerk der traditionellen Laguiole Messer längst im 21. Jahrhundert und bei aktuellen Trends angekommen. Nicht umsonst ist das Motto der französischen Schmiede Laguiole en Aubrac "Die Tradition, die etwas wert ist, ist die, die mit der Zeit mitgeht“.
Die Geschichte des "Langen Messers" aus Laguiole
Laguiole - Das ist der Name eines kleinen Bergdorfes. Das Dorf Laguiole liegt im Herzen des Aubrac in der Region der Auvergne im Süden Frankreichs.
Das Handwerk der französischen Messermacher hat im Aubrac seine Wurzeln. Bereits im frühen 19. Jahrhundert wurden hier Taschen- und Tafelmesser für Hirten und Bauern hergestellt.
Doch nach und nach begann das Handwerk der Messerschmiede aus Laguiole zu verschwinden. Man hatte es nicht geschafft, die Produktion des Messers zu industrialisieren – es wurde immer von Hand gefertigt, wie früher. Als die Nachfrage stieg, konnten die Schmieden in Laguiole mit der Produktion bald nicht mehr mithalten. Man begann immer mehr mit Zulieferern aus dem nahen Thiers zusammenzuarbeiten.
Als das Messermachen in Laguiole schließlich nahezu komplett verschwand, gerade nach dem zweiten Weltkrieg, wanderte die Produktion vollständig nach Thiers. Die Läden in Laguiole verkauften zwar weiterhin die Messer, doch es waren die Schmiede in Thiers, die sie herstellten. In den 1980er Jahren gab es dann in der Region mehrere Initiativen, die heimische Produktion anzukurbeln und auch wieder zurück zu den ursprünglichen Wurzeln zu bringen. In Thiers bei Laguiole gibt es immer noch Manufakturen, die ihre Wurzeln in Laguiole haben und noch auf authentische Weise produzieren, wie Laguiole en Aubrac. Puristen vertreten die Meinung, dass Forge de Laguiole die einzige echte Marke des Laguiole ist. Sie sind die einzigen, die im Dorf Laguiole selbst ansässig sind und dort produzieren. Allerdings finden wir in Thiers eine durchgehende Fertigungstradition.
Was sind die Merkmale der Laguiole en Aubrac Messer?
Das „Laguiole“ war ursprünglich ein einfaches Bauernmesser. Die Biene ist das Wahrzeichen des bekannten französischen Messers. Als "Fliege" bezeichneten die Messermacher früher das runde Kopfstück der Feder, also jenes Bauteil, das noch immer für die Arretierung der Klinge zuständig ist. Dieser spezielle Klappmechanismus war eine Erfindung der Handwerker aus Laguiole, die zunächst noch sehr schlicht gehalten war. Die Biene kam erst 1908 hinzu. Diese sogenannte "Fliege" ist also keine Fliege, sondern eine Biene. Die Biene sitzt auf dem Teil des Messers, das "Kopf" genannt wird.
Der Kopf ebenso wie der Knauf des Griffs werden meist von "Backen", beispielsweise aus Messing, eingefasst. Sie bieten Schutz vor kleinen alltäglichen Erschütterungen und Stößen. Die Backen sind direkt mit den Platinen verschweißt. Messer ohne Backen bezeichnet man als Vollgriffmesser. Die Platinen sind dünne Platten aus einer Legierung, die der Form des Griffs entsprechen und eine korrekte Montage der Komponenten ermöglichen. Charakteristisch ist auch die feine Feiltechnik auf der Rückseite von Klinge und Feder, Guilloche gennant. Die Feder hält die Klinge im geschlossenen und offenen Zustand.
Ein weiteres klassisches Merkmal ist das Hirtenkreuz auf der rechten Seite des Griffs in Form von sieben dekorativen Nägeln. Der Legende nach benutzten Hirten, die einsam in den Bergen der Region lebten, das in die Erde geplfanzte Messer als "Mini-Altar".
Messerherstellung: Handwerkskunst und Qualität von Laguiole en Aubrac
Die Schmiede von Laguiole en Aubrac befindet sich etwa 45 Minuten von der Hauptfirma entfernt, in der Region Aveyron. Hier wird alles hergestellt, was später für den Zusammenbau eines Messers benötigt wird, wie Platinen, Rückenfedern und Backen. Sogar die Werkzeuge und Maschinen, die für die Herstellung der Teile notwendig sind, werden vor Ort produziert.
Vorbereitung der Einzelteile
Bei der Fertigung eines Laguiole-Messers beginnt der Prozess mit der sorgfältigen Vorbereitung aller Einzelteile. Edelstahl und Messing werden im Rohzustand bearbeitet und zu Platinen und Backen (Zwingen) verarbeitet. Anschließend werden die Platinen und das Ressort gereinigt. Diese Teile befinden sich im Rohzustand und müssen gründlich gesäubert werden – ein Prozess, der im Französischen als "flankieren" bezeichnet wird. Sobald diese Vorarbeiten abgeschlossen sind, kann der eigentliche Zusammenbau des Messers beginnen.
Das Ressort und die Federn werden poliert, da man nach dem Zusammenbau an diese Stellen nicht mehr herankommt. Deshalb ist es wichtig, diese Teile im Vorfeld gründlich zu bearbeiten. Nachdem alles poliert und gereinigt ist, wird das Messer einmal provisorisch zusammengebaut. Dies ermöglicht das Messer am Schleifband so zu bearbeiten, dass alle Teile auf einer Ebene sind – das Ressort und die Platinen müssen perfekt zusammenpassen, ohne dass etwas übersteht.
Gravur
Nach diesem Schritt wird das Messer wieder auseinandergebaut. Für viele dieser Arbeitsschritte verwenden die Messermacher Spezialwerkzeuge, die sie selbst herstellen um die Fertigung zu erleichtern. Das Ressort und die Platinen werden von Hand graviert, um die charakteristische Rückenverzierung (Guilloche) anzubringen. Diese filigrane Handarbeit erfordert viel Geschick und Erfahrung.
Anpassen des Griffs und Schäferkreuz
Nun folgt die Anfertigung des Griffs. Die Griffschalen werden so angepasst, dass sie perfekt zwischen die bereits schräg gefrästen Backen passen. Im nächsten Schritt werden die Löcher für die Schrauben und das Schäferkreuz gebohrt. Hierbei wird Metalldraht in die vorbereiteten Löcher eingesetzt und später bündig poliert, sodass er im fertigen Messer nahtlos eingefügt ist.
Endmontage und Feinschliff
Sobald alle Einzelteile bearbeitet sind, wird das Messer erneut vollständig zusammengebaut. Der Griff wird in mehreren Schleifschritten verfeinert. Mithilfe unterschiedlicher Körnungen wird das Holz so lange bearbeitet, bis der Griff perfekt geformt ist. Anschließend erfolgt die finale Politur.
Politur und Klingenschliff
In der Endphase werden die Messer mit speziellen Polierscheiben und verschiedenen Polierpasten bearbeitet, um den gewünschten Glanz zu erreichen – von satiniert bis spiegelglänzend. Der letzte Arbeitsschritt, aus Sicherheitsgründen, ist das Schleifen und Abziehen der Klinge. Nachdem der Grat entfernt wurde, ist das Messer komplett fertiggestellt.
Messer mit Doppelplatinen sind etwas größer, da sie zwei Edelstahlplatten um die Feder herum besitzen, anstatt nur einer. Dieses Design ermöglicht es dem Handwerker, mehr aufwendige Handgravuren vorzunehmen. Die zusätzlichen Platten bieten mehr Fläche für detaillierte Verzierungen und verbessern sowohl die Ästhetik als auch die Stabilität des Messers. Darüber hinaus sind Laguiole Messer oft mit speziellen und einzigartigen Materialien ausgestattet. Klassisch findet man Büffelhorn, Wacholder und Warzenschwein, aber auch immer mehr Mammutzahn, Giraffenknochen und moderne Materialien wie Kohlefaser oder Edelsteine werden verarbeitet. So wird aus einem Messer als Kulturgut und Gebrauchsgegenstand ein wertvolles Sammlerstück, das über Generationen vererbt wird und eine echte Wertanlage darstellt.
Die Klingen des Laguiole
Die Klinge, das Herzstück des Messers, kann aus verschiedenen Stählen gefertigt werden. Historisch wurde für die Klingen von Laguiole-Messern Kohlenstoffstahl verwendet. Dieser klassische Stahl zeichnet sich durch eine sehr gute Schnitthaltigkeit aus und lässt sich leicht nachschärfen. Allerdings nutzt sich die Klinge schnell ab und muss sorgfältig gepflegt werden, um einer Oxidation vorzubeugen.
Heute wird hauptsächlich Edelstahl verwendet, wie zum Beispiel 12C27M und 14C28N. Diese Stähle sind universeller. Mit geeigneter Ausrüstung ist das Schärfen recht einfach, sie bieten eine gute Stabilität und ihre Schärfe ist dauerhaft haltbar. Allerdings erfreut sich gerade auch Damast großer Beliebtheit.
Das Herzstück der Schmiede ist die Herstellung der Damastklingen. Laguiole en Aubrac ist der einzige Hersteller in der Region, der diese Klingen noch selbst produziert.
Die Vorbereitung für die Damastklingen beginnt mit einem Paket aus 25 verschiedenen Metallplatten, die aus Carbon und Nickel bestehen, in unterschiedlichen Stärken. Diese Metalle bilden später die charakteristischen Muster auf der Klinge. Der Schmiedeprozess startet in einem speziellen Ofen, der auf etwa 1200 Grad erhitzt wird. Sobald das Metallpaket rot glühend ist, wird es unter den Schmiedehammer gelegt und auf eine Länge gestreckt, die es erlaubt, das Metall viermal zu falten.
Um das Metall zu falten, werden mit einer Kreissäge Schnitte auf beiden Seiten des Pakets gemacht, sodass es sich wie ein Zickzack falten lässt. Dieser Prozess wird mehrmals wiederholt, um die gewünschte Anzahl von Lagen zu erreichen. Am Ende entsteht ein Block aus Lagen-Damast, der dann auf eine Länge geschlagen wird, aus der etwa acht Klingen gefertigt werden können. Wenn das Metall weiterbearbeitet wird, kann es auch in den Amboss gespannt und gedreht werden, um einen gedrehten Damast (auch Torsions-Damast genannt) zu erhalten.
Der spannendste Moment im Prozess ist das Ätzen der Klinge. Sie wird mit Sandpapier abgerieben, um alle Rückstände zu entfernen, und dann in Eisenperchlorid getaucht. Alternativ könnte man auch Essig oder löslichen Kaffee verwenden, um den Effekt zu erzielen. Das Eisenperchlorid sorgt dafür, dass das Nickel hell bleibt und das Carbon schwarz wird, was das charakteristische Muster der Klinge hervorbringt.
Je nach Schmiedetechnik können verschiedene Muster entstehen, wie der Torsions-Damast, der Lagen-Damast, der Explosions-Damast oder der Leiter-Damast.
Was ist das Geheimnis des perfekten Taschenmessers?
Ein sehr gutes Messer schneidet und bleibt lange scharf, wenn es aus hochwertigem Stahl gefertigt ist. Original Laguiole Taschenmesser in ihrer ursprünglichen Form besitzen keine Verriegelung. Sie sind mit einer Rückenfeder ausgestattet, die nicht arretiert. Man kann sie also (noch) bei einer Klingenlänge bis 12 Zentimetern bedenkenlos führen.
Die „Yatagan“-Klinge, die sich konisch verjüngt, passt perfekt zum schlanken Griff des Messers. Ihre gerade Kante verläuft in Verlängerung des Griffs und endet in einem sanft abgerundeten Profil. Der obere Teil der Klinge ist durch einen sauberen Bruch gekennzeichnet, der in das spitze Ende übergeht. Typisch ist auch der geschwungene und gewellte Griff. Schlank und elegant, mit ansprechenden Rundungen schmiegen sich die Griffschalen ergonomisch in die Hand.
Aber es ist vor allem das Wissen und die Erfahrung der Messermacher, ihr Handwerk, die den wahren Wert eines echten französischen Taschenmessers ausmachen. Dank ihnen wird jedes Laguiole zu einem Unikat, das Eigenschaften wie Stärke, Eleganz, Schärfe und Schönheit in unterschiedlichen Ausprägungen vereint. Von der Jagd- bis zur Abendgarderobe, oder vom Alltag aus raus auf die Schießbahn – unter Messern von Laguiole ist für jeden Anlass und Charakter etwas zu finden.
Mehr Hintergrundinfos, Impressionen und einen Blick in die Schmiede bekommt Ihr auf der deutschsprachigen Website von Laguiole en Aubrac.
Bilder © Laguiole en Aubrac