Am 08.05.2024 gab die Firma „Carl Walther“ es öffentlich bekannt: Die neue Pistole der Spezialkräfte aus Calw und Eckernförde sowie der spezialisierten Kräfte der Feldjäger, kommt aus Ulm!
Und damit reiht sich die Bundeswehr mit der P14 in eine Reihe von Beschaffungen ein, die einen zweiten Blick lohnen. Sind Sie doch letztendlich ein Spiegel der neusten Entwicklungen im Bereich der Kurzwaffen, wenn auch meist zeitlich zu den zivilen Trend etwas versetzt. Konkret sprechen wir hier von wegweisenden Beschaffungsprogrammen: Dem MK27-Programm der U.S. Navy, der P14/P14K der Bundeswehr, aber auch vom M17/M18-Programm der US Army und US Airforce. Wie nun mittlerweile bekannt ist, sucht die Bundeswehr nun auch nach einem Nachfolger der P8. Das neue Jahr hat also noch nicht einmal begonnen und verspricht jetzt schon, bahnbrechend zu werden.
Bild oben : KSK-Soldat / Quelle : Bundeswehr.de
Die Beschaffung des „Systems Pistole Spezialkräfte“.
Doch der Reihe nach. Was hat die Bundeswehr für die Spezialkräfte 2024 genau beschafft? Der Ulmer Hersteller Walther konnte sich nach dem Eingang des „Wunschzettels (der Leistungsbeschreibung) aus Calw und Eckernförde“ zunächst als Teilnehmer im Verfahren qualifizieren und später komplett durchsetzen. Nachdem Walther seine Waffen einreichte, die Ersteinweisung erfolgte und diese dann durch die extrem umfangreichen Erprobungen gingen, stand 2024 dann fest: die PDP konnte sich beweisen und gegen alle Konkurrenten behaupten. Im Rahmen des neuen Programms wird Walther die Kurzwaffen liefern, die als „P14“ und „P14K“ bezeichnet werden. Diese gehen an das Kommando Spezialkräfte (KSK), das Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM) und die Spezialisierten Kräfte der Feldjäger.
Konkret werden 3.200 P14 (Basiswaffe, Full-Size, 4,5“ Rohr) und 3.300 P14K (Kompaktversion, verkürztes Griffstück, 4“ Rohr,) geliefert. Es handelt sich hierbei grundsätzlich um die zivil erhältliche Walther PDP - eine moderne Dienstpistole mit texturiertem Polymergriffstück und teilvorgespanntem Schlagbolzenschloss. Als Abzug kommt der Performance Duty Trigger (PDT) zum Einsatz, der Walther-typisch trocken bei 2.200 Gramm bricht. In der Ausschreibung wurde ein Abzug gefordert, der den höchsten Ansprüchen an (Fall-)sicherheit entspricht, daher fiel die Wahl bei Walther direkt auf den PDT. In der Leistungsbeschreibung wurden zudem ein Magazintrichter und ein Kompensator gefordert. Zwei Komponenten, die heute im Bereich des praktischen Schießens fast schon Standard sind, bei Dienstwaffen aber bisher nie zu finden waren. Weitere Anforderungen: Es musste(!) eine sog. "Closed Emitter Optic", also eine Rotpunktvisierung in geschlossenem System, verbaut werden können, bei der Leuchtdiode und alle relevanten Teile vor Staub, Wasser und Dreck geschützt sind. Hier wurde durch die Leistungsbeschreibung bereits eine indirekte Vorauswahl getroffen, da beispielsweise die Stufen der Leuchtpunkthelligkeit und andere Paramter vorgegeben wurden. Walther schickte das bereits bekannte „AIMPOINT ACRO“ ins Rennen. Das ACRO wird mittels Direktmontage auf dem Verschluss montiert – eine Adapterplatte entfällt.
Eine „Absolute Co-Witness“ war seitens der Bundeswehr zwar vorgeben, entschieden hat man sich später aber aus praktischen Gründen für eine „Lower Third Co-Witness“. Bei einer „Lower-Third Co-Witness“ sind die mechanischen Visierungen (Kimme und Korn) im unteren Drittel des Sichtfelds der Optik angeordenet, während bei einer „Absolute Co-Witness“ die Visierungen zentriert im Sichtfeld der Optik liegen. Der Vorteil der „Lower Third Co-Witness“ liegt darin, dass das Rotpunktvisier frei von mechanischen Visierungen bleibt, was das Zielbild klarer und weniger überladen macht, während die mechanischen Visierungen dennoch für Notfälle zur Verfügung stehen. Was aber die P14 besonders von der zivilen PDP unterscheidet: Die Internals der P14 sind mit einer speziellen Beschichtung gegen Korrosion geschützt. Damit trägt man insbesondere der maritimen Komponente vom KSK, den Kampfschwimmern und ihrem Arbeitsort „Rechnung“. Welche Beschichtung genau - da blieben die Lippen der Ulmer felsenfest verschlossen.
Ausgeliefert wird die P14 in Flat Dark Earth (FDE), die P14K als kompakte, verdeckt zu tragende Waffe in einem unauffälligen Grauton. Dazu kommen Mündungssignaturreduzierer, Reflexvisiere, und bereits die angesprochenen Kompensatoren und Magazintrichter. Als Signaturreduzierer wird der von B&T produzierte „Impuls-XM“ geliefert und von Aimpoint das ACRO P2 Rotpunktvisier. Das Paket wird abgerundet durch umfangreiches Zubehör: Austauschbare Griffrücken, wechselbare Magazinhalter, Ersatzteile, Handhabungstrainer, Übungswaffen und einiges mehr.
Kommen wir zum Thema Licht: Auf der europäischen Vergabeplattform TED findet man unter der Nummer 388807-2024 eine Ausschreibung für die „Beschaffung von Beleuchtungsmodulen für das System Pistole Spezialkräfte“ (BelMSysPiSpezKr – Behördliche Abkürzungen sind doch immer wieder ein Traum.). Darüber sollen 5.734 Einheiten beschafft werden, mit denen sowohl die P14 als auch die P14K ausgerüstet werden können. Gefordert werden interessanterweise keine Laser, sondern Module, die bis ca. 40m das Vorfeld im sichtbaren und unsichtbaren (Infrarot-Bereich) Lichtspektrum ausleuchten können. Vorgeschrieben sind min. 300 Lumen bzw. 100 mW.
MK27 und M17/M18 Programm
Weit drüben im Westen findet sich eine Nation, die schon vor ein paar Jahren Trends erkannte und handelte. Die Streitkräfte der Amerikaner begannen 2015 mit der Suche nach der neuen Dienstpistole für die breite Basis. Nach zahlreichen Trials wurde 2017 dann die P320 als neue M17 bzw als M18 (Kompaktversion) eingeführt. Auch hier: Polymergriffstück, Schlagbolzenschloss, Optics Ready. Auch die Kanadier führten die SIG P320 später als C22 ein. Das Sig Sauer Romeo Rotpunkt wurde unter der NSN (Nato Stock Number) „1240-01-713-9795“ eingeführt und kann nun dort von den Logistikern und Materialbewirtschaftern angefordert werden. Auf eine Rotpunkt-Kompatibilität wurde auch hier von Beginn an Wert gelegt, sie war kein Zufall oder Nebenprodukt.
Bereits 2014 begann das SOCOM (das US Special Operations Command) mit den Vorbereitungen zur Einführung der Glock 19, die inzwischen unter der Bezeichnung MK27 Mod. 0 bis Mod. 2 unter anderem für die Maritimen Spezialkräfte eingeführt ist. Zwar gab es dort zuerst den Wunsch aus der Truppe, die Glock 17 einzuführen, jedoch existierte bereits die „M9“ (Beretta 92) als Full-Size-Kurzwaffe. Also entschied man sich für die Ausschreibung einer Kompaktwaffe. Konkret handelt es sich dabei um eine Glock 19 der (anfangs) Generation 3 mit Surefire X300 und maritimen Federtellern, um den Froschmännern und ihrem Arbeitsbereich gerecht zu werden. Als Mod. 2 wurde dann die Gen 4 eingeführt, welche zusätzlich noch einen Gewindelauf bekam. Die Crème de la Crème.
Das als „SU-291“ bekannte Trijcon RMR ist direkt mit dabei. Zwar handelt es sich bei diesen Einführungen bei den US-Streitkräften dabei noch um den Spezialkräften vorbehaltene Privilegien, wenn es um flächendeckende Versorgung mit Rotpunkt-Visieren geht. Doch die generelle Marschrichtung ist eindeutig. Und die Bundeswehr beschreitet hier bereits fast schon Neuland, indem eine Pistole dienstlich beschafft wird, die zudem mit einem erweiterten Magazinschacht, Kompensator und umbaubaren Magazinlösern beschafft wird. Nicht minder spannend ist die Beschaffung der Kantonspolizei der Schweiz. Aus dem Protokoll der Sitzung vom 3. Juli 2024 geht hervor, dass 2.529 Glock 45 MOS FS und 135 Glock 26 Gen 5 MOS, 2529 Streamlight TLR-7 X und 2.664 Rotpunktvisiere vom Typ „Holosun SCS“ beschafft werden. Mit anderen Worten: keine Dienstwaffe ohne Rotpunkt.
Eine ähnliche Entscheidung sehen wir auch bei der Pennsylvania State Police: Hier wurde sich kürzlich für eine flächendeckende Einführung der Walther PDP Compact und PDP F-Series als „Optic Ready“ Variante entschieden. Das Rezept hier: Aimpont Acro P2 und Walther Performance Duty Trigger. Wohl bekomms.
Trends aus dem Zivilen
Doch hängen die Streitkräfte da wirklich so sehr hinterher? Kurz gesagt: Ja. Denn bereits in den 2000ern (wir erinnern uns: Graue Vorzeit, die Dinosaurier waren gerade ausgestorben, Strähnchen bei den Frauen, junge Männer mit Surferfrisuren, Emo-Look, Tokio Hotel und Baggy Pants.) waren Rotpunkte auf Kurzwaffen im Kommen. Gelöst wurde dies aber durch Montagen, die von der Schiene am Dustcover eine Brücke nach hinten bauten und damit eine Platzierung des Rotpunkts ÜBER dem Verschluss möglich machten. Im Bereich des USPSA und IPSC ist diese Variante bis heute immer mal bei entsprechenden Matches zu sehen. Insbesondere wenn die Oberseite des Verschlusses eher schmal gehalten ist und die direkte Montage fast unmöglich ist. Man sah zwar früh die Vorteile, jedoch fehlte der (technische) Durchbruch. Nicht zuletzt wegen der schieren Größe dieser Aufbauten und fehlenden Optionen auf dem Holstermarkt, dauerte es länger bis zur Marktreife. Dann kamen die 2017er Jahre und ein junger Dude aus den südlicheren Bundesstaaten der USA montierte einfach ein Aimpoint T2 (du hast richtig gelesen) fest auf den Verschluss seiner Glock 17. Lucas Botkin war gewiss nicht der erste, aber einer der ersten der öffentlichkeitswirksam damit experimentierte.
Und während Polizeien und Militärs jetzt(!) in der breiten Masse anfangen, auf den Zug aufzuspringen, ist es im zivilen mittlerweile seit Jahren beinahe der Gold-Standard, ein Rotpunkt direkt auf den Verschluss zu montieren. Denn: Die Vorteile sind eindeutig. Durch superfeine Punkte wird es einfacher, Target und Sightpicture in Einklang zu bringen. Ich muss nun nicht mehr 2 Ebenen miteinander in Einklang bringen (Korn und Kimme müssen perfekt zusammen gebracht werden) und dann noch auf dem Target richtig anhalten. Nun muss nur noch der Dot auf dem richtigen Anhaltepunkt aufliegen. Desweiteren gibt der Dot direkt Aufschluss über Abzugs- und sogar Grifffehler, wenn man es genau nimmt. Zittert der Dot extrem wie Espenlaub, liegt es nahe, dass der Griff unnatürlich ist und einer Anpassung bedarf. Habe ich einen Abzugsfehler, fällt schon beim Trockentraining direkt auf, dass der Punkt beim Abkrümmen nicht sauber auf dem Ziel bleibt. Das wiederum erspart zu einem gewissen Teil wieder eine zweite Person, die auf Fehler beim Schützen achten muss, da der Schütze mit etwas Übung dies direkt selber wahrnimmt und dort entsprechend nachsteuern kann.
Fazit:
Die Einführung der „Optics Ready“-Dienstwaffen ist ein spannender und wichtiger Trend und folgt direkt den neusten Erkenntnissen aus dem zivilen Schießen. Die Vorteile sind nicht wegzudiskutieren und man darf mehr als gespannt sein, was uns auf dem Feld der Beschaffungen in den nächsten Jahren erwartet. Das eine erhöhte Effizienz beim Schiessen im Zweifel den Unterschied macht, gilt nunmal in allen Kontexten: Sport, Behörde, Selbstverteidigung. Insbesondere behördlich geforderte Kompensatoren und Magazintrichter sind beachtenswert und zukunftsweisend. Gefällt uns.
Charlie Out.
Quellen: