"Munitionshersteller hassen diesen Trick" - Wie(so) Trockentraining funktioniert

Niemals gab es so viele Trainingsmöglichkeiten wie heute. Laserpatrone, Youtube, Hochgeschwindigkeits-Kameras ... Warum einfachstes Trockentraining immer noch der Boss ist.

Ich bin musikalisch schrecklich untalentiert. Schiefe Stimme, keinerlei Rhythmusgefühl und zwei linke Hände. Dennoch habe ich es irgendwann geschafft, zumindest auf einer Gitarre halbwegs anhörbare Musik spielen zu können. Wie das? Ganz einfach, weil Talent unglaublich überschätzt wird. Letztendlich kommt der Unterschied nur bei der absoluten Elite zu tragen, dort, wo die physischen und psychischen Trainingskapazitäten ausgereizt werden. Für den ganzen Rest ist Übung alles. 

Und warum sollte es bei Waffenhandhabung in irgendeiner Weise anders sein?

Bevor mir jetzt jemand entgegnet, dass man nicht so einfach jeden Tag schießen gehen kann und selbst wenn, dass sehr schnell eines der kostspieligsten Hobbies überhaupt werden würde: stimmt. Könnte ich mir auch nicht leisten. Und ich habe auch keinen Schießstand im Keller. Was ich aber habe, sind eigene Wohnräume. Und jetzt behaupte ich, fast (!) alles kann man auch ohne Schussabgabe trainieren (Und nein, ich sage nicht, dass man Schießsport etc. auch ohne scharfen Schuss betreiben könnte, im Gegenteil. Ich sage nur, dass ein großer Teil des Training für die scharfe Schussabgabe ohne selbige möglich ist).

Anleitungen zum Trockentraining gibt es wie Sand am Meer. Da erfinde ich das Rad nicht neu – und muss es auch nicht. Stattdessen verliere ich lieber ein paar Worte zur Wissenschaft dahinter und gebe ein paar Tipps, die ich so zumindest noch nicht gelesen habe (denn ich gehe davon aus, dass es sehr viele sehr viel schlauere Menschen als mich gibt, die schon früher auf die gleiche Gedanken gekommen sind).

Repetition

„Repetition is the first principle of all learning" ist der Titel einer von mir gerne zitierten Arbeit, die sich mit menschlichen Lernprozessen beschäftigt. Die Kernaussage ist bereits im Titel. Wenn ich etwas lernen will (insbesondere stressresistent) muss ich es oft wiederholen. Sehr oft. Sehr sehr oft. Und vor allem eines: korrekt. 1000 Wiederholungen, um etwas zu lernen, 10000, um etwas falsches zu vergessen. Bitte nagelt mich nicht auf die exakten Zahlen fest aber ihr versteht das Prinzip. Deshalb ist es gerade am Anfang essentiell, dass die Technik makellos ist. Hier profitiert man umso mehr von Supervision und strukturierter Ausbildung. Diese nimmt einem aber nicht die Hauptarbeit ab, sondern sorgt nur dafür, dass man zunächst mal die korrekte Technik lernt.

Frequenz schlägt Volumen

10 Minuten jeden Tag bringt mehr als 70 Minuten einmal pro Woche. Längere Trainingseinheiten sind natürlich ok, aber zu hohes Trainingsvolumen führt erwiesenermaßen zu einer niedrigeren Trainingsfrequenz. Und diese ist letztendlich entscheidend. Beispiel: wir haben alle irgendwann einmal sehr intensiv für eine Prüfung gelernt. Abschlussprüfung, Jagdschein, Examen, sucht es euch heraus. Jeder darf jetzt kurz kritisch sich selbst fragen, wie viel Prozent von dem damals so intensiv gelernten und in der Prüfung mehr oder weniger erfolgreich wiedergegebenen noch da ist. So. Und jetzt stellt euch mal vor, ihr hättet diese Prüfung nie geschrieben, seit dem euch aber Konsequenz jeden Tag 10 Minuten mit diesem Thema beschäftigt. Na?

Ich brauche mittlerweile nicht einmal mehr buntes Tape. Ich sehe überall den Dot Drill.

Reflexion

Beim Trockentraining fehlen im Vergleich zum scharfen Schuss vor allem zwei Dinge: das Geschoss, dass den Lauf verlässt und zum Beispiel eine Papierscheibe stanzt. Und zum anderen die Rückstoßverarbeitung (und damit auch der Nachladevorgang bei Halbautomaten). Ersteres sehe ich als keinen großen Verlust (fürs Training) an. Warum? Zum einen kann der fortgeschrittene Schütze den Ablauf des Abkrümmens und Brechen des vermeintlichen Schuss gut selber analysieren. Ohne die Auslenkung durch die Vorgänge in der Waffe nach dem scharfen Schusses können wir unser Korn bzw. unseren Rotpunkt sehr gut beobachten. Und kriegen mit, wenn es sich bewegt, wenn es nicht sollte. Zum anderen gibt es sehr viel mehr Fertigkeiten, die trainiert werden sollten – und nicht alle enden mit einem Betätigen des Abzugs. Somit bringt uns die Trefferanalyse in diesem Fall nichts.

An ihre Stelle rückt die Selbstreflexion. Ist mein Waffengriff wirklich perfekt? Stehe ich nach komplettem Ziehvorgang richtig da? Bin ich im Natural Point of Aim? Klappt der Fokus meiner Augen auf Korn oder aufs Ziel?

Wenn ich das alles mit „Ja“ beantwortet habe: dann ist es Zeit, sich einen Timer zuzulegen. Und das ganze schneller zu tun.

Ohne auch nur abzudrücken: Ist mein Griff perfekt? Wie schnell sehe ich mein Korn? Muss ich nach dem Ziehen korrigieren?

Und was ist mit Airsoft?

Zugegeben, auch wenn ein erfahrener Schütze eine gute Eigenanalyse durchführen kann: mehr Spaß macht es schon, nach Löchern im Papier zu schauen. Als spaßige Abwechslung zum Trockentraining mit der „echten“ Waffe gibt es die Möglichkeit zum Training mit einer Airsoft-Replika. Das bietet einige Vorteile, aber auch einige Gefahren, derer man sich bewusst sein muss (Nein, ich meine nicht abprallende Plastikkügelchen...). Hierzu wird es noch einen weiteren, eigenen Artikel geben. Stay tuned!

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