Das RoseTac ROGUE Placard an einem Lindnerhof Generation 5 Plattenträger.

Placards – the next Evolution?

Hier und da hast du das Wort „Placard“ schomal aufgeschnappt oder in Stores gelesen – aber was sind das überhaupt ?

Modulare Körperschutzysysteme unterliegen, wie auch die Schiessausbildung, einem stetigen Wandel. Im Folgenden beleuchten wir die aktuellste Entwicklung anhand des „ROSETAC © ROGUE MultiMag Placard's“ und des Spiritus Systems Micro Fight Chassis.

Sie sind die konsequenten Weiterentwicklungen, welche bei taktischer Ausrüstung mit dem modularen MOLLE-System (Modular Lightweight Load-carrying Equipment) begannen. Nüchtern betrachtet, ist es nicht ein gänzlich neuer Schritt in der Entwicklung. Mehr eine Art Mikroevolution. Als Mikroevolution bezeichnet man eine Entwicklung innerhalb eines Grundtyps, nicht die Entstehung eines neuen Grundtyps an sich. Natürlich sind Placards nicht für jeden Anwendungsbereich der Way-to-go. Aber für DIE Defizite, die es abstellen soll, ist es der absolute beste Weg. Steile These, ich weiß.

Im Folgenden beleuchten wir folgende Fragen:
1. Wo kommen wir da gedanklich her? Warum das ganze?
2. Wo sind wir nun? Was ist im Jahr 2024 der neuste Stand?
3. Warum sind sie so beliebt?

 

SpiritusSystems
Das gleiche Placard von "Spiritus Systems" - einmal am Plattenträger, einmal am Chestrig.

Ganz Früher. Als die Erde kalt war.

Warum tun wir Dinge überhaupt, wie wir sie tun? Eine Frage, mit der ich mich die letzten 10 Jahre mehr und mehr beschäftigte. Vieles nehmen wir als selbstverständlich hin, ohne die genauen Hintergründe zu erfragen. Viele Menschen adaptieren Trends und übernehmen sie in Sekundenbruchteilen, machen Sie sich sofort zu eigen. Per se nichts schlechtes, erlaubt es uns schließlich, möglicherweise unwichtige Details auszublenden. Und dennoch stelle Ich jetzt mal eine Grundsatzfrage in den Raum: 

Warum nutzen wir überhaupt ein modulares Montagesystem wie das PALS-Gitter („Pouch Attachement Ladder System“)? 

Die Antwort ist natürlich ganz einfach: Wir tragen damit einer sich ständig entwickelnden und verändernden Welt, mit wechselnden Szenarien, Rechnung. Aber ist damit das Ende der Geschichte erreicht?
Eingeführt wurde das sog. PALS-Gitter in den späten 90ern von den US-Streitkräften zur Befestigung von Taschen und Fächern an anderen Ausrüstunggütern. Konkret besteht das Gitter aus, mit dem Trägerstoff horizontal festverwebten, abstandsgenormten Schlaufen, vorzugsweise aus Nylon. Sie ermöglichen dem Anwender eine absolut individuelle Konfiguration von… von allem. Und ich meine: ALLEM. Chest-Rigs, Plattenträger, Hosen, Gürtel, Rucksäcke… You name it. Durch eine unendlich große Vielzahl a Pouches & Taschen, die auf den Rückseiten die entsprechenden gegensätzlichen PALS-Nylon-Streifen verarbeitet haben, lässt sich eine Tasche an jeder beliebigen Position fest montieren. Wer noch die Koppel von seiner Dienstzeit kennt: So. Nur besser. Und anders.

US Army Molle
Die ersten Feldversuche mit MOLLE/PALS Systeme der US-Army. Beispielhaft ein Plattenträger der US-Army aus den 2000ern.

Es war also seit den 1990er- Jahren möglich, innerhalb weniger Minuten die Frontflap eines Plattenträgers oder einer Schutzweste mit 8 Magazintaschen für die Langwaffe oder bspw. 10 Magazintaschen für die Pistole plus einer Funkgerätetasche zu bestücken. Und das alles, ohne etwas zu nähen. Das war zu jener Zeit wirklich ein Meilenstein, auch wenn es heute weit weg zu sein scheint.

 

Placard Multicam
Typisch für Placards: Die sehr schmale Bauweise. Quelle: www.spiritussystems.com

Heute.

Nun haben wir doch eigentlich alles was wir brauchen? 100% modular, Millionen an Varianten der Individualisierung - warum also diese Mikroevolution? Ganz einfach: der Mensch ist ein “Gewohnheitstier” und verändert eben nicht jeden Tag komplett seine Ausrüstung. Es haben sich sogar mittlerweile Standards eingebürgert, die man eventuell noch mehr vereinfachen könnte. Der reguläre Anwender wechselt eben an seinem Plattenträger nicht am Tag X von 3 Langwaffenmagazintaschen auf 4 Langwaffenmagazintaschen, 2 Wochen später auf 2 Langwaffen- und 2 Kurzwaffenmagazintaschen und 6 Wochen später auf 4 Langwaffenmagazintaschen. Das in der Realität schlicht nicht statt. Im Gegenteil: Gewisse Standardsetups kristallisieren sich über die Kontext hinweg, mehr und mehr heraus. Einer davon: Die Breite und/oder Nutzung von 3 Langwaffenmagazintaschen am Frontflap des Plattenträgers. Warum also nicht da weiterdenken und verbessern?

Wenn sowieso 9 von 10 Schützen vorne am Plattenträger 3 Langwaffen-Magazintaschen haben - warum dann die Notwendigkeit von einer einzelnen Frontflap UND 3 einzelnen Taschen, die ich dann noch selber einschlaufen muss? Hier kommen Placards ins Spiel: Placards sind feste Frontpaneele für Placards und Chest Rigs, die meist über 2 Steckschnallen montiert werden. Auf ihrer Rückseite findet sich oft Hakenklett. Vorne finden sich dann mehr oder minder 2 Varianten: Placards die den “Micro Fight Rig” oder dem “Tripple 556”-Phänotyp entsprechen. Also entweder ein oder 2 geöffnete Fächer für entsprechende Inserts (ähnlich dem „Micro Fight Chassis“ von Spiritus Systems) oder direkt 3 feste Magazinpouches, auf ihrer Rückseite jeweils meist mit Flauschklett versehen.

Der Clou: Das Placard/Micro Fight Rig ersetzt beim Plattenträger die Frontflap komplett und lässt sich, dank der Montage mit Steckschnallen, in Sekunden wechseln.

“Shooter Ready? Staaaaand by! 

BEEP!

Klick! 556-Placard weg.
Klick! 762-Placard dran.

Sauber, das waren 1.61 Sekunden! Nice!“

 

Haley Strategic Placard
Eine Montage von Placards kann zum einen über die bekannten Schnallen erfolgen. Quelle: haleystrategic.com

Natürlich - es gibt seit Jahren Multikalibertaschen. Warum also nicht diese nehmen?


1.: Wirklich formschlüssig haltende Multikalibertaschen existieren nicht. Das liegt in der Natur der Sache: Entweder findet man Pouches für ganz spezifische Magazine (KYWI Esstac Pouches z.B.) oder Taschen mit Gummizugkordeln auf dem Markt. Dann haben wir aber immer noch die Kordel, die sich irgendwo verhaken kann. Zusätzlich benötigen die Magazine meist noch einen sogennanten "Pulltab", also eine zusätzliche Sicherung von oben, um sie gegen rausfallen zu sichern.

2. Die Preise sind wesentlich höher.

3. Ein Placard/Micro Fight Rig ist immer schmaler und schlanker als ein- bzw. "aufgeschlaufte" Taschen.

4. Einzelne Taschen benötigen immer einen „Träger“, um irgendwo montiert zu werden, bei Placards entfällt dieser.

5.: Multikalibertaschen eignen sich vor allem dann, wenn der Nutzer beispielsweise eine Zeit mit dem AR gearbeitet habe und JETZT sofort gezwungen bin, auch mit AK-Magazinen zu arbeiten. In einem ganz speziellen dienstlichen Kontext mag das vorkommen und Sinn machen. Für den “Ordinary Civillian” oder regulären Behördler, der zu 99% vorher weiß, mit welchen Waffen er arbeitet, stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit, ALLES an Magazinen aufnehmen zu können, wenn es schneller, günstiger und “leichter” geht. Wer also hin und wieder mal andere Magazine nutzen KANN, aber nicht jederzeit und 24/7 darauf vorbereitet sein MUSS, für den sind Placards eine attraktive Alternative.

Das “RoseTac ROGUE Placard”

Gefertigt aus einem speziellen Corduralaminat & Velcro nach TL der Bundeswehr in Handarbeit - Made in Germany! Das ist das RoseTac ROGUE Placard. Es wird mit 3 sog. “Inserts” geliefert, die mit weichem Velcroflausch in die Staufläche geklettet werden. Je nachdem, ob Du eher der .223 (STANAG AR-Magazin) oder der 7,62-Typ (bspw. 417, aber auch G36 Magazin!) bist: Du konfigurierst es so, wie Du es brauchst. Auch eine Ausstattung mit 9x19 Inserts ist auch möglich. Einer Mischung wie zb. 2x AR15 und 2x 9x19 steht also nichts im Wege. An den vertikalen Seiten findet sich gelasertes PALS Gitter, genauso wie „unter“ dem Placard. Hier lässt sich (z.b. mit einem Hosengummi) ein Tourniquet befestigen.

 

ROGUE Montage
Die Montage findet bei ROSETAC über Schlaufen statt. Auch Eddings haben Platz im Placard.

An der Vorderseite habt ihr verschiedene Optionen: Ihr könnt euch entweder für eine komplett glatte Oberfläche entscheiden, eine Version mit gelasertem PALS-Gitter wählen oder euch für Velcro entscheiden, je nachdem, welche Version euren Anforderungen entspricht. Die Jungs von RoseTac haben Verständnis für eure autistischen Züge und versuchen alles möglich zu machen.

Und wie bekomm ich das jetzt an meinen Plattenträger? Das Placard kann entweder mit PALS-Streifen oder mittels G-Hooks/Buckles gegen die Frontflap deines Plattenträgers getauscht oder an deinem Chest-Rig montiert werden. Das geht erfahrungsgemäß wirklich schnell und einfach und bei fast allen Plattenträgern. Zwingend vorhanden sein muss nur die entsprechende Anzahl an „Slots“ im PALS-Gitter (oder eben die Schlaufen für die G-Hooks/Schnallen). Im Falle vom RoseTac (und den meisten anderen Placards) sind das 6-Slots. Hast du einen Plattenträger mit einer Breite an 6 „Molle-Schlaufen“, passen somit dieses und die meisten anderen Placards. Da die Rigs und Placards in der „Höhe“ variieren, bleibt bei vielen Plattenträgern unten ein Streifen an „Flauschklett“ sichtbar. Das ist von Plattenträger zu Plattenträger individuell, spielt aber in der Einsatzfähigkeit keine Rolle.

Das MICRO-FIGHT-CHASSIS-Prinzip.

Eine andere Möglichkeit: Das „Micro Fight Rig/Chassis“ von Spiritus Systems. Jetzt gut zuhören, hier wird’s nun ein bisschen komplexer. Aber wir schaffen das. Denn bei Spiritus Systems ist eine komplette Linie an Ausrüstung rund um dieses eine Konzept entwickelt worden. Als Basis dient das „Chassis“. Und es gibt NUR dieses Chassis. Im Prinzip ein (der Länge nach) zweigeteiltes Placard. Auch hier sind textile Inserts für alle gängigen Magazingrößen verfügbar. Das „Chassis“ hat nun aber an allen vertikalen Flächen Flausch. Passend hierzu gibt es nun die Flaps. Diese werden eingeklettet und können als Abdeckung für seperate Stauräume genutzt werden. Ein Beispiel: 3x AR-223-Magazine hinten, vorn 2x 9x19-Kurzwaffenmagazine und ein separates Fach für Medic- oder Admin-Kram. 

Spiritus Systems Micro Fight
Ein Placard bzw. Chassis - tausend Möglichkeiten. Die unendlichen Konfigurationen erlauben es, jedes Szenario abzudecken.

Nun ist das Rig aber noch nicht fertig. 

Die Variationen gehen los bei kleinsten, super schmalen Chest-Rigs und enden irgendwo bei komplett fertigen Plattenträgern. Von Covert-Ops bis zum Gefechtsdienst in Pfullendorf. Von "Bloß nicht-gesehen-werden" bis "Surprise, M*********er".

 

Verdeckt zu tragende Chest Rigs sind zum Beispiel in folgender Version denkbar: Die sehr dünnen „Skinny Straps“, 2x AR-Magazin-Inserts, 2 Kurzwaffen-Inserts. Vielleicht noch eine Bauchtasche für Medizinisches Equipment. So schmal und so dünn, dass eine Jacke drüber anzuziehen bereits ausreicht, um es zu verdecken.

 Und in wenigen Sekunden, durch lösen der Schnallen, lassen sich die komfortableren „Fat Straps“ anbringen. Noch eben die sogenannten „Expander Wings“ angebracht und zack – das kampfwertgesteigerte Chest-Rig ist fertig. Jetzt haben wir breite Tragegurte für den Komfort, und mehr Raum für Munition, ein Funkgerät oder ein viertes und fünftes Magazin. Oder eine Rauchgranate. Oder Sprengmittel. Oder was auch immer. 

Die Möglichkeiten zur Individualisierung sind hier wirklich auf die Spitze getrieben und gleichzeitig standardisiert. Hersteller wie Ferro Concepts werben proaktiv mit einer Kompatibilität mit dem "Micro Fight Rig". Verfolgt man die Social-Media Kanäle beispielsweise der 20th Special Forces Group, so stellt man fest: Beide Hersteller und insbesondere das "Micro Fight Rig" werden auch tagtäglich von den Besten der Besten weltweit genutzt. Gut, zugegeben: Die Jungs müssen Ihre Ausrüstung auch oft nicht selber kaufen.

 

Fazit.

Wer 2024 nach zusätzlichem Stauraum für Magazine sucht, sollte ernsthaft in Erwägung ziehen, ob Placards nicht die optimale Lösung darstellen – besonders, wenn es um schnelle Anpassungen und maximale Modularität geht. Durch die breite Vielfalt an Herstellern, Farben und Fabrikaten ist für fast jeden Einsatzzweck was dabei. Durch, je nach Hersteller, gegebenenfalls eine sehr komplexe Modellvielfalt, kann man leicht abgeschreckt werden. Doch nach ein bisschen Einarbeitungszeit stellt man schnell fest, wieviel Gehirnschmalz in diese Entwicklungen geflossen sind. In einer Zeit stetig komplexer werdender Einsatz- und Bedrohungsszenarien sind sie die perfekte Symbiose zwischen hoher Modularität und vorgegebenen Formen, wo es einer Vereinfachung bedurfte.