Praktisch & Taktisch

"STOP the Bleed!" - Warum Medizin jeden etwas angeht!

TCCC - Die Behandlung von lebensbedrohlichen Verletzungen sollte jeder in Grundzügen beherrschen. Besonders wenn man mit Schusswaffen Umgang pflegt.

Und aufeinmal knallts. "Sch*****!, Mike hats erwischt!" 

Was sich wie Fiktion anhört, ist Realität, oft Realität gewesen und wird in Zukunft oft Realität sein. Auf einmal wird alles rot, alle werden panisch. Und jetzt? Handeln.

Mich hat Notfall- und Traumamedizin schon immer fasziniert und und leider öfter begleitet. Und das ohne im Rettungsdienst tätig zu sein. Diese Situationen können dich und mich jederzeit erwischen, nur einige Beispiele: Der Neffe zündet sich aus Versehen an. Neben deinem Haus schreddert ein Auto die Leitplanke. Du bist beruflich in einem Krisenland und es eskaliert die Situation. All dies sind jetzt keine ausgedachten Situationen, sondern Ausschnitte aus meinen persönlichen letzten Jahren. Keine dieser Situationen fand in einem Land mit Nato-Einsatz oder im Dienst statt. Nicht einmal ging es um eine Schusswunde. Und doch reden wir hier von TCCC? Wie passt das denn jetzt zusammen? Und was ist dieses TCCC überhaupt? 

"TCCC -  Tactical Combat Casualty Care"

"TCCC" bezeichnet erstmal nur die Leitlinien des "Committee of Tactical Combat Casualty Care", eines Komittees welches in den 1990er Jahren als Reaktion auf Somalia und Mogadischu die Grundzüge der taktischen Verwundetenversorgung festgelegt hat. Heutzutage meint man mit diesem Begriff grundlegend die Verwundetenversorgung in einem "Spannungsumfeld". Ein "Spannungsumfeld" (oder militärisch: "Eine taktische Situation") in diesem Zusammenhang kann erstmal alles sein. Der Hund, der den Verletzten lebensgefährlich gebissen hat, läuft noch am Unfallort herum. Der angeschossene Soldat befindet sich noch immer im aktiven Feuerkampf. Oder das Fahrzeug in der Leitplanke, während der Verkehr noch mit 90 Km/h vorbeifährt. Wir reden also von weiterhin andauernden Situationen mit maximal hoher Gefahr für Leib und Leben. Diese Situationen können überall auftreten, nicht nur in dienstlichen Situationen.

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Bild oben: Der absolute Worst Case: Eine aktive Kriegssituation, eine (offensichtlich arterielle) Blutung, und das Tourniquet ist vermutlich aufgrund mangelnder Ausbildung mit Kabelbindern fixiert. Eine fundierte Ausbildung ist für solche Situationen entscheidend. Quelle: Youtube.de

 

Und so können sie eben im Alltag oder auch auf der Schiessbahn stattfinden. Während viele Kurz- oder Langwaffenkurse besuchen - wie viele nehmen an medizinischen Kursen teil? Wie viele bilden sich regelmäßig weiter? Gerade hier hätte die Bubble der Waffenanwender die große Chance, gesamtgesellschaftlich mehr Anerkennung zu gewinnen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit zu leisten. Denn, zumindest aus meiner Erfahrung: Bei solchen Situationen, wo medizinische Hilfe geleistet werden muss (Verkehrsunfälle z.b.) kommt man früher oder später mit irgendeinem Beteiligten ins Gespräch. Wenn dann ein Satz wie zum Beispiel: „Ich bin Jäger, und für mich gehört eine fundierte medizinische Ausbildung dazu, wenn man Verantwortung für Revier, Wild und Material übernehmen möchte“ fällt, dann ist man nicht nur in einer kritischen Situation ein wertvolles Asset, sondern hat zugleich auch einen interessanten Gesprächsaufhänger. Aber das nur am Rande.

Unser Autor Alexander Roßmanith, selber Notfallsanitäter, hat es so ausgedrückt: 

"Ob bei Herzkreislaufstillstand, Atemwegsverlegung beim Bewusstlosen oder der Verletzung eines großen Blutgefäßes – der Ersthelfer macht den Unterschied. Hands-Only-CPR, die stabile Seitenlage oder auch Rettungsposition oder das Tourniquet sind für den Betroffenen die einzige Chance auf Überleben, wenn der Fall der Fälle eintritt und jede Minute zählt. [...] Ohne Ersthelfer, die in den ersten Minuten die entscheidenden Maßnahmen ergreifen, wären einige Patienten verloren."

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Und was passiert jetzt in so einem Kurs?

Als Beispiel dient jetzt der "FASH"-Kurs der Firma Enyalius. "FASH" steht dort dort für "First Aid for Sportshooting and Hunting". Ja Moment. Was ist denn jetzt was? "TCCC", "FASH", "Stop the Bleed" - so viele Begriffe! Richtig. Aus Namensrechtsgründen dürfen sich aber nur die originalen, 8 tägigen "PHTLS ("Pre Hospital Trauma Life Support") TCCC Combat Medic-Kurse" auch so nennen. "TCCC" als Abkürzung ist mittlerweile einfach nur zu einem allgemein genutztem Synonym für die taktische Verwundetenversorgung geworden. Letztendlich lehren sie aber alle dasselbe, nur die Nuancen unterscheiden sich. Wie man mit einem Tourniquet oder einem Chest-Seal umgeht und wann man letzteres zum Beispiel auch eben nicht braucht - das findet man in diesen Kursen immer. Egal wie sie sich nennen. Das der Umfang des 8 tägigen Combat Medic Kurs einen anderen Umfang hat, als ein 8 stündiger Kurs - das dürfte klar sein. Ein solcher "Kurs in taktischer Verwundetenversorgung" unterscheidet sich also stark von einem "Erste Hilfe" Kurs, wie ihn jeder für den Führerschein benötigt hat. Während man dort vor allem lernt, wie man in alltäglichen Notfällen reagiert, wird es in solchen spezialisierten Kursen deutlich anspruchsvoller. Das merkt man spätestens, wenn man das erste Mal an einem Simulator arbeitet, der arterielle Blutungen realistisch nachbildet. In dem Moment wird einem bewusst, dass die Versorgung einer schweren Verletzung weit mehr erfordert, als nur einen einfachen Druckverband anzulegen. Wenn man dann noch noch auf den Inhalt eines Standard-DIN-Verbandskastens begrenzt wäre, geriete man schnell an seine Grenzen. Doch genau diese Erfahrung ist unglaublich wertvoll, weil sie einem ein realistisches Verständnis dafür vermittelt, wie komplex und herausfordernd solche Notfallsituationen tatsächlich sind. Und: Es geht nicht nur darum, Wissen zu haben, sondern auch darum, die eigenen Handlungen unter extremem Druck effektiv und präzise ausführen zu können.

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Bild oben: Was ist "Woundpacking"? Was ist dabei zu beachten? All das wird in solchen Kursen abgearbeitet. Quelle: Enyalius

 

Das Handwerkszeug.

Ein nicht unwichtiger Teil der Kurse ist der „nicht-medizinische“ Aspekt. Sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch die Wahl der richtigen Ausrüstung spielen eine entscheidende Rolle. Mythen wie "Wenn du bei einer Reanimation dem Patienten aus Versehen die Rippen brichst, gehst du dafür in den Knast." hat jeder einmal von uns gehört. Und so witzig diese Mythen sich jetzt erstmal anhören: Rund um die Themen Medizinische Rechtslage und -Ausrüstung kursieren viele ernste Missverständnisse. Wenn du dich also dafür entscheidest, einen solchen Kurs zu absolvieren, gratulieren wir dir. Gleichzeitig möchten wir direkt einen Appell an dich richten: Achte bei der Wahl des Kursanbieters darauf, dass auch die Themen Ausrüstung ("Wie stelle Ich ein IFAK zusammen?") und Rechtslage ("Darf ich in einer Notsituation überhaupt ein Tourniquet anlegen?") behandelt werden. Denn beides gehört genauso zum Handwerkszeug wie die medizinischen Kenntnisse und sorgt für die nötige Handlungssicherheit in einer Notfallsituation.

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Bild oben: Die Auswahl der richtigen Ausrüstung beim Kauf als auch beim Einsatz ist entscheidend: "Welches Israeli kann ich bedenkenlos kaufen?" und "Muss ich jetzt ein Israeli einsetzen?" sind wichtige Fragen. Quelle: Carl Regimus Medical School

 

"Wen trifft man da denn auf diesen Kursen?"

„Das war eine der ersten Fragen, die ich mir vor vielen Jahren bei meinem ersten Kurs in diese Richtung gestellt habe: „Da sind bestimmt richtig erfahrene Leute dabei, alle viel medizinischer versierter als ich!“ William Wanschura, Gründer von „Enyalius“, antwortete darauf: „Zu unseren Kursen kommen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten. Natürlich auch Teilnehmer mit medizinischer Vorbildung, aber die Mehrheit sind „normale“ Jäger, Sportschützen und Behördenangehörige. Jeder wird an seinem Kenntnisstand abgeholt.“ Und das kann Ich bestätigen. Habt keine Angst, euch für einen entsprechenden Kurs anzumelden. Ihr könnt euch durch die Teilnahme keinesfalls blamieren. Im Gegenteil, es ist eine großartige Möglichkeit, euer Wissen zu erweitern und euch auf reale Notfallsituationen vorzubereiten. Wichtig ist, dass ihr in eure eigene Weiterbildung investiert. Denn Unfälle passieren auch bei uns - sei es auf dem Schießstand oder bei der Jagd. Dafür muss man nicht in Afghanistan im Einsatz sein. 

Etwas wichtiges noch zum Schluss: Natürlich machen euch diese Kurse nicht zu einem "Combat Medic" oder einem zertifizierten "18D Special Forces Medic". Mut zur Lücke ist gefragt. Zielsetzung ist nicht die Abschaffung der Rettungskette, sondern euch zur Überbrückung befähigen, bis diese Rettungskette greift. Genauso muss Dir bewusst sein, dass das lebenslange Lernen nicht aufhört, nachdem Du einen Kurs gemacht hast. Es beginnt dann eigentlich erst. Ein regelmässiges "In-Übung-halten" ist also Ehrensache. 

 

Titelbild: Bundespolizei