Da führt einer Böses im Schilde: Deutsches Waffengesetz als Minority-Report-Adaption für Fußgänger (Credits: Shutterstock)

Waffenrecht: FDP und BJV enttäuschen Legalwaffenbesitzer

Ein harter Tag: Aktuellen Gerüchten zufolge knickt die FDP beim Waffenrecht ein, während der BJV die Scheuklappen aufbehält.

BJV: Nach dem bayrischem Jäger die Sintflut. 

Nicht alle Wogen haben sich in Sachen „Sicherheitspaket“ geglättet, zumindest in einem Bundesland fand die ohnehin schon recht lebhafte Debatte noch eine muntere Zugabe: In Bayern hat sich der Präsident des dortigen Jagdverbandes (BJV) Ernst Weidenbusch wohl nur wenige Freunde gemacht, als er in einem vieldiskutierten Video die Aufregung um die Waffenrechtsverschärfungen im Sicherheitspaket sinngemäß als übertrieben abkanzelte. (Wir berichteten.) Dabei unterliefen ihm argumentativ auch einige schwerwiegende Fehler.

Wer die Debatte nicht mitverfolgt hat, bekommt hier noch einmal eine kleine Übersicht über das interessante Interview mit dem BJV-Präsidenten: So erklärte er zum Beispiel, dass die Petition von BZL, DJV und Co., die sich gegen die Verschärfung des Waffengesetzes wendet, „handwerklich nicht gut gemacht“ sei, so dass man sie als Verband nicht unterstützen könne. Ein politischer Angriff, der derart „polemisch“ sei, sei nicht mit zielführender Lobbyarbeit vereinbar, so Weidenbusch. Denn die Petition bestünde aus nur einem – eben: polemischen - Satz, die Begründung hingegen sei „Schall und Rauch“, so der Präsident weiter. Er sei 20 Jahre in einem Parlament gewesen, er wisse, wie das Verfahren laufe. Wenn das in Bayern tatsächlich so läuft, wie Herr Weidenbusch beschreibt, dann unterscheidet sich dieses bayerische Verfahren anscheinend fundamental von einem Petitionsverlauf auf Bundesebene, denn dort ist die Begründung von essenzieller Bedeutung. Die Bezeichnung „Schall und Rauch“ dürfte in einem solchen Verfahren auf Bundesebene dann nicht ganz passend erscheinen.

Aber in Bayern ist ja bekanntlich manches anders, so auch – zumindest nach Herrn Weidenbusch - die zukünftige Gesetzeslage. Zumindest, wenn es nach dem Jägerpräsidenten geht. Ja, da staunt man, denn der Aspekt der schnelleren Wegnahme von Waffen bei verdächtigen Personen werde wohl „für Bayern“ so nicht kommen, meint Weidenbusch. Sollte sich Bayern inzwischen aus der Bundesrepublik verabschiedet haben, dann könnte das tatsächlich so sein, aber angesichts der Regelungshoheit durch den Bund ist die Aussage von Herrn Weidenbusch schlicht falsch.

Und was ist mit den zahlreichen Einschränkungen für Menschen, die ein Messer führen? „Der Jäger kriegt kein Problem“, so Weidenbusch. Auch hier unterliegt der BJV-Präsident einem Irrtum, denn der Jagdschein ist kein Zauberzettel gegen jegliche Polizeikontrolle und Messerwegnahme. Doch Herr Weidenbusch meint, dass das ziemlich genau so laufen werde, denn das Gesetz würde sich gegen Terroristen, nicht gegen Jäger richten. Bisher müsse die Polizei solchen Menschen das Messer bei einer Kontrolle zurückgeben, deshalb brauche es hier eine entsprechende Lösung, die das Gesetz seiner Ansicht nach bieten würde. Mit dem neuen Gesetz könne man denen, die „Unfug treiben“ wollen, das Messer wegnehmen. Mal abgesehen von der Tatsache, dass die Polizei über hellseherische Fähigkeiten verfügen müsste, wenn sie im Vorfeld erkennen wollte, dass in Kürze „Unfug“ getrieben werden würde: Auch jetzt sind schon längst Beschlagnahmen möglich. Und dafür braucht es noch nicht einmal die berühmt-berüchtigten Waffenverbotszonen.

Die bayerische Extradebatte ist analytisch allerdings nur die Kirsche auf der Sahne, der Kern ist weiterhin das bekannte Verfahren auf dem Weg zur Waffenrechtsänderung. Und hier ruht der See derzeit recht still. Die Vorgabe in Berlin lautet: Noch im Oktober möchte man die Kuh vom Eis haben. Dafür müssen aber erst noch die Juristen ran, verfassungsrechtliche Bedenken und fehlerhafte Formulierungen eliminieren. Und auch die via Petition, offene Briefe usw. geäußerte Kritik reißt nicht ab. Einige der Punkte, die öffentlich kritisiert werden, sind in der Tat zumindest fragwürdig, andere wiederum schlicht unsinnig. So führt die Einbeziehung zusätzlicher Behörden wie Zollkriminalamt und Bundespolizei mit Sicherheit zu mehr bürokratischem Aufwand, lässt aber auch die Frage aufkommen, ob Abfragen bei diesen Behörden tatsächlich einen entscheidenden Mehrwert bringen oder nur Teil eines gekonnt dargebotenen Sicherheitstheaters sind. Denn sollte die Antwort hier ein klares Ja sein, so würde dies die Anschlussfrage nach sich ziehen, warum bisher auf diese Behörden verzichtet wurde.

shutterstock_2367935965.jpg
Nicht nur Taschen-, sondern auch Aktenkontrollen: Die Bundespolizei soll ein Auge auf Waffen und ihre Inhaber haben (Credits: Shutterstock)

Nicht zuletzt bleibt das Problem bestehen, dass erneut viel Symbolpolitik kurzfristig für Zustimmung in der Bevölkerung sorgen soll, jedoch substanziell kein entscheidendes Problem gelöst und auch kein Terroranschlag dadurch verhindert werden dürfte. So sind derzeit erlaubte Springmesser schlicht uninteressant in der Kriminalprävention. Sie lassen sich aber gut aufführen in der beliebten, aber freiheitlich-demokratisch hochgradig bedenklichen Kategorie „Niemand braucht …“, die bei zahlreichen aktionistisch denkenden und handelnden Politikern gern eingesetzt wird. Auch die zusätzlichen Verbotszonen würden eher keine Orte großer Freude werden. Man denke an den Jäger, der in einer Innenstadt wohnt, die nun zur Waffenverbotszone erklärt wird. Viel Spaß bei den Polizeikontrollen! Nun, wenn denn überhaupt welche stattfinden. Denn wer soll all die zusätzlichen Orte überhaupt sinnvoll kontrollieren? Ich schaue diesbezüglich nach Leipzig und kann mir die Antwort denken. So manche Waffenverbotszone droht zum Synonym für den zahnlosen Tiger zu werden.

Noch absurder sind in diesen Zonen die zahlreichen Abstufungen für Waffenscheininhaber. Demnächst könnte es durchaus vorkommen, dass Inhaber eines kleinen Waffenscheins in der einen Zone ihre Schreckschusswaffe, gefüllt mit Pfeffer- und CS-Gas-Patronen, aber kein Schweizer Taschenmesser mitführen könnten. Und gehen sie einen Schritt zu weit in eine verschärfte Variante einer solchen Verbotszone, so verstoßen auch sie gegen das Gesetz.

Es ist letztlich nichts anderes als hochgradig lächerlich, ein Messerverbot für einen Akt des Schutzes vor Terrorismus zu betrachten. Wir haben gut 40 Millionen Haushalte in Deutschland, im Durchschnitt bewohnt von zwei Personen. Wenn jede Person in einem deutschen Haushalt insgesamt zehn Brot-, Butter-, Fleisch-, Fisch- und andere Haushaltsmesser besitzt, reden wir schnell von einem Messerbestand knapp unter einer Milliarde (!) in Deutschland, was ein Verbot von Springmessern noch alberner aussehen lässt. Und über Schraubenzieher, Zangen, Sägen und andere Werkzeuge haben wir noch gar nicht gesprochen … 

pexels-energepic-com-27411-175039.jpg
Für den einen Handwerksgegenstände, für den anderen hochgefährliche Folterwerkzeuge: Hammer, Zange und Co. (Credits: energepic/Pexels)

 

Insider: FDP gibt Blockade gegen Waffenrechtsverschärfung endgültig auf. 

fdp.png

Im politischen Berlin wird derweil nicht nur über Sachaspekte, sondern auch den Prozess dahinter gesprochen. So haben wir aus für gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen erfahren, dass die FDP ihren Widerstand bei der Waffenrechtsverschärfung für Zugeständnisse bei der Immigrationspolitik der Bundesregierung aufgeweicht haben soll. Der CDU-Abgeordnete Marc Henrichmann schrieb am 29. September bei X (früher: Twitter): „Die FDP hat unter der Woche wohl noch versucht, einzelne Verbände mit „Bonbons“ wie Nachtzieltechnik oder Dual-Use-Magazinen aus der Allianz gegen das Waffenrecht der Ampel „rauszukaufen“, um eine schnelle Verabschiedung ohne größeren Gegenwind zu ermöglichen.“ 

Wieviel davon wahr ist, bleibt offen, interessant ist es allemal, auch und gerade hinsichtlich der Schärfe der Auseinandersetzung. Die FDP steht hier besonders unter Druck: Ihr verzeihen zahlreiche Legalwaffenbesitzer nicht mal einen Millimeter des Abrückens von ihrer Aussage, das Waffenrecht werde nicht verschärft. Auch wenn es ausnahmsweise mal nicht um bunte Selbstladebüchsen oder Silvester-Schreckschusswaffen geht, so ist die Wut zumindest in den Sozialen Medien groß. Und die bereits erwähnte Petition ist auch nicht ohne Wirkung. Inzwischen nähert sie sich der 130.000er-Marke. 

So wird es zumindest bis zur Verabschiedung des Gesetzes noch munter weitergehen, Langweile dürfte bei diesem Thema nicht aufkommen. Doch um hier jedoch ganz sicherzugehen, trug jüngst der Präsident des Deutschen Städtetages Markus Lewe etwas Unterhaltsames zur Debatte bei. Er forderte im Windschatten des Sicherheitspakets ein generelles Verbot von Schreckschusswaffen. Die originelle Begründung: „Niemand braucht …“. Freiheit stirbt immer zentimeterweise, sagte seinerzeit Guido Westerwelle in Anlehnung an Karl-Hermann Flach, und die nächste unsinnige Idee ist in digitalen Zeiten stets nur einen Mausklick entfernt …