Wir beschäftigen uns viel mit dem Thema praktisches Schießen. Dabei haben wir zwei messbare Größen stets im Blick, Zeit und Präzision.
Bei beispielsweise IPSC ist Präzision wichtig, keine Frage. Das Ziel sollte sein nur mit Alphas die Stage zu verlassen. Brauche ich dafür aber die dreifache Zeit eines anderen Schützen, der sich aufgrund des Tempos vielleicht zwei Charlies geleistet hat, reicht meine überragende Präzision vermutlich nicht aus, um zu gewinnen. Umgekehrt hilft mir die schnellste Zeit auf der Stage nicht, wenn ich zwei Mikes geschossen habe. So betrachten wir immer diese beiden Größen in Relation.
Ebenso gilt für den behördlichen Waffenträger, kommt er in eine Situation, in der er von der Schusswaffe Gebrauch machen muss, dass in der Regel derjenige den Feuerkampf für sich entscheidet, der schneller trifft und das Gegenüber kampfunfähig macht.
Im persönlichen Training sollte alles abgebildet werden, was man an Tätigkeiten braucht, um die eigenen Fähigkeiten zu erhalten oder zu verbessern.
Nun ist Trainingszeit auf dem Schießstand für die meisten von uns begrenzt. Mit Trockentraining kann man viel erreichen - wir verweisen dazu auf den Artikel unseres geschätzten Freundes Dr. Simon Langer - dennoch gibt es einige Teilaspekte, die dabei nicht trainiert werden können. Beim Schießen mit der Kurzwaffe sei hier allem voran die Überprüfung des Griffs und damit einhergehend die Kontrolle über die Mündungsauslenkung genannt.
So stellt sich die Frage wie gestalte ich mir mein Training auf dem Schießstand bestmöglich, um die Zeit auf dem Stand so effektiv zu nutzen wie möglich?
Benötigtes Equipment sind nebst der Waffe Ersatzmagazine (drei Magazine gesamt Minimum sind empfehlenswert), ein stabiler Gürtel mit Holster und der Möglichkeit mindestens zwei Magazine zu verstauen.
Ebenso halten wir einen Shot-Timer für essenziell, um das Training effektiv zu gestalten. Nur in der Relation von Zeit und Präzision lässt sich der Leistungsstand feststellen und Fortschritte beobachten.
Ein Tourniquet am Gürtel schadet weder dem Sportschützen noch dem Jäger oder Behördenangehörigem – aber dazu ein andermal an anderer Stelle mehr.
Hier stellen wir einige unserer favorisierten Drills vor, mit denen wir unser Training gestalten. Viele dieser Übungen haben ihre Schwerpunkte, was sie für uns jedoch attraktiv macht, ist, dass sie möglichst viele Punkte in sich vereinen. Unser Ansatz ist Schwerpunkte zu setzen aber dennoch möglichst ganzheitlich zu trainieren.
1. Dot Drill
Wie Moritz so schön zu sagen pflegt, beim Dot Drill wird Wahrheit gesprochen und um meinen Mentor Oliver Falk zu zitieren, ist er das, was für den Pianisten die Fingerübung ist.
Es gibt verschiedenste Varianten des Drills. Von klassisch über den Dot Torture, von basic bis advanced. Je nach Fähigkeitsstand lässt sich variieren und der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt.
Das Zielmedium: es lässt sich einfach mit Schusspflastern unterschiedlichster Größen und Formen über vorgefertigte Ziele zum Ausdrucken von beispielweise T.REX ARMS (https://img.trex-arms.com/wp/uploads/2021/07/FlinchTarget-converted.pdf) oder Shepherd Development (https://shepherddevelopment.com/wp-content/uploads/2024/02/Patch-DrillQR.pdf) oder unserer HunTac Universal Dot Target Trainingsscheibe (https://huntac.de/p/huntac-universal-dot-target-trainingsscheibe?c=1582) arbeiten.
Distanz: von 2,5 – 5m, je nach Größe der Ziele/Fähigkeiten des Schützen
Ablauf: Startposition kann im Holster oder einer Bereitschaftsposition sein. Es wird ohne Zeitlimit aus der Startposition ein Schuss auf einen Dot abgegeben. Ziel ist immer ein sauberer Treffer. Um das Nachzielen zu trainieren, bietet es sich an aus der Startposition zwei Schuss auf einen Punkt abzugeben.
Weitere Varianten sind einhändig mit der starken Hand sowie einhändig mit der schwachen Hand zu schießen.
Wir bauen unser Training mit dem Dot Drill gerne folgendermaßen auf:
- Aus einer Bereitschaftsposition ein Schuss, fünf Wiederholungen, ein Dot je Durchgang.
- Aus einer Bereitschaftsposition zwei Schuss, fünf Wiederholungen, ein Dot je Durchgang.
- Aus dem Holster ein Schuss, fünf Wiederholungen, ein Dot je Durchgang.
- Aus dem Holster zwei Schuss, fünf Wiederholungen, ein Dot je Durchgang.
- Aus dem Holster ein Schuss einhändig, starke Hand, fünf Wiederholungen, ein Dot je Durchgang.
- Aus einer Bereitschaftsposition ein Schuss einhändig, schwache Hand, fünf Wiederholungen, ein Dot je Durchgang.
Das Trainingsziel: Der Fokus liegt klar auf dem sauberen Arbeiten mit dem Abzug. Fehler, wie beispielsweise schlecht antizipierte Mündungsauslenkung oder Verreißen oder das seitliche Drücken des Abzugs werden aufgrund des kleinen Ziels sofort sichtbar. Zusätzlich lässt sich sehr gut das erneute Aufbauen des Visierbilds nach der Schussabgabe, das Nachzielen bzw. englisch follow through, verinnerlichen.
Insbesondere für Anfänger ist der Dot Drill hervorragend geeignet, da die gleich sichtbaren Ergebnisse ein sofortiges Korrigieren bei der nächsten Wiederholung und ebenso auch sofort sichtbare Erfolge ermöglichen, was für eine steile Lernkurve sorgt.
2. Viking Tactics 1 to 5 Drill von MSG ret. Kyle Lamb
Das Zielmedium: Ursprünglich geschossen auf die VTAC Mannscheibe (https://huntac.de/p/vtac-praezisions-und-mannscheibe?c=1582), stellt ein Rechteck mit den Maßen 15x15cm die Trefferzone dar, die sogenannte Alpha-Zone, umrandet durch die Charlie-Zone. Die Maße sind fast deckungsgleich mit IDPA Scheiben.
In Deutschland sind Mannscheiben für den zivilen Anwender keine Option – glücklich seien alle außerhalb. Wir improvisieren und nehmen beispielsweise IPSC Vollscheiben.
Es werden drei Scheiben nebeneinander benötigt.
Distanz: 5 Meter (im Original von Kyle Lamb 5 Yards)
Der Ablauf: Geschossen wird fertig geladen aus dem Holster auf akustisches Timersignal. Die linke Scheibe wird mit einem Schuss beschossen, danach Wechsel auf die mittlere Scheibe mit zwei Schuss, Wechsel auf die rechte Scheibe mit drei Schuss, Wechsel zurück auf die mittlere Scheibe mit vier Schuss und abschließend Wechsel auf die linke Scheibe mit fünf Schuss.
Totale Anzahl sind 15 Schuss.
Die Wertung: Gewertet wird die Zeit nur, wenn alle Treffer in der Zielzone sind bzw. der Geschossdurchmesser die Scoring Line anreißt.
Das Trainingsziel: Durch die Einschränkung, dass die Zeit nur gewertet wird, wenn alle Schüsse auch Treffer sind, wird die Selbsteinschätzung nicht schneller zu schießen als man treffen kann gefördert.
Im Fokus stehen hier nebst den Grundfertigkeiten Zielzonenwechsel sowie Schusskadenz.
Für Anfänger sollte das Ziel sein Zeiten unter 10 Sekunden zu erreichen. Zeiten unter 8 Sekunden sind fortgeschritten und unter 6 Sekunden kann man sich getrost den erfahrenen Schützen zurechnen.
3. Viking Tactics Half and Half Drill von MSG ret. Kyle Lamb
Unserer Meinung nach einer der anspruchsvollsten aber auch effektivsten Drills. Es wird dem Schützen viel abverlangt und Schwächen gnadenlos aufgezeigt.
Wer dem Low Ready Podcast folgt weiß, dass wenn Oliver Falk nur noch einen Drill schießen könnte sich für ihn entscheiden würde.
Das Zielmedium: Zielzone ist wie beim 1 to 5 ein Rechteck 15x15cm. Alternativ funktinoiert natürlich auch hier eine IPSC Vollscheibe.
Die Distanz: 20, 10 und 5m
Der Ablauf: Geschossen wird fertig geladen aus einer Bereitschaftsposition auf Timersignal 10 Schuss. Die Magazine sind komplett geladen und der Schütze zählt selbst mit. Der Vorgang wird auf jeder Distanz wiederholt.
Die Zeitfenster sind wie folgt:
20m - 12 Sekunden
10m - 6 Sekunden
5m - 3 Sekunden
Die Wertung: Jeder Treffer in der Trefferzone bzw. jeder Treffer dessen Geschossdurchmesser diese anreißt gibt 10 Punkte. Jeder Schuss über der Zeit wird mit minus 10 Punkten gewertet. Jeder Treffer in der Charlie-Zone wird mit 0 Punkten gewertet und jeder Schuss außerhalb dieser mit -20 Punkten. Maximal erreichbare Punktzahl sind 300 Punkte. Über der Anzahl von 10 abgegebene Schüsse erhöhen die Maximalpunktzahl nicht.
Das Ziel sollte sein stets 250 oder mehr Punkte zu erreichen.
Das Trainingsziel: Beim Half and Half Drill wird von Präzision auf größere Entfernung bis zum schnellen Schuss auf Nahdistanz dem Schützen das Beherrschen der Grundfertigkeiten, Kontrolle über die Waffe und volle Konzentration abverlangt.
4. Grid of Fire von Pat McNamara
Insbesondere für IPSC Schützen aber auch für den behördlichen Anwender ein guter Drill, der sich hervorragend eignet das schnelle Einnehmen einer stabile Schießposition zu trainieren.
Das Zielmedium: Ursprünglich von Pat McNamara auf ein Stahl-IDPA Ziel erdacht, schießen wir zum einen aufgrund der Sicherheitsbestimmungen in Deutschland, aber auch um eine bessere Trefferauswertung zu ermöglichen, auf Papier. Ziel ist wieder ein Rechteck 15x15cm. Alternativ geht natürlich auch hier eine IPSC Vollscheibe.
Die Distanz: Es gibt insgesamt sechs Positionen von denen geschossen wird. Zwei auf 15m, zwei auf 10m, zwei auf 5m, jeweils 5m auseinander.
Der Ablauf: Geschossen wird fertig geladen aus dem Holster auf akustisches Timersignal. Pro Position wird ein Schuss abgegeben. Die erste Position ist mit Blickrichtung auf das Target auf 15m links, nach der Schussabgabe wird auf die linke Position auf 10m gewechselt, von dort geht es auf die rechte Position auf 10m. Nun wird auf 5m rechts gewechselt, weiter auf 5m links und zurück auf 10m links. Nun geht es wieder auf die rechte 10m Position und von dort zurück auf die rechte 15m Position.
Insgesamt werden so 8 Schuss abgegeben.
Es bietet sich an die Positionen mit Hütchen zu markieren.
Klingt kompliziert? Ist es anfangs auch. Daher haben wir euch den Drill aufgezeichnet.
Als Variation können auch zwei Schuss pro Position abgegeben werden und der Drill damit IPSC spezifischer gestaltet werden.
Die Wertung: Jeder Treffer außerhalb der Zielzone aber noch in der Charlie-Zone wird mit +0,5 Sekunden und jeder Treffer außerhalb dieser mit plus 20 Sekunden gewertet.
Das Ziel sollte sein unter 20 Sekunden zu bleiben.
Das Trainingsziel: Hier spielt es eine entscheidende Rolle schnell in die Positionen und danach wieder in Bewegung zu kommen. Ebenso wichtig ist es das Ziel schnell aufzunehmen, dabei in Anschlag zu kommen und distanzbezogen zügig den Schuss abzugeben.
Die Sicherheit hat immer oberstes Gebot und insbesondere beim Zurücklaufen ist darauf zu achten, dass die Mündung stets in eine sichere Richtung zeigt.
5. Delta Drill der Schweizer Armee
Vertikale Positionswechsel werden häufig gern übersehen aber sollten IPSC Schützen wie auch behördliche Anwender regelmäßig trainieren. Die Zeit liegt auch hier, wie so oft, nicht am Abzug sondern in den Positionswechseln.
Das Zielmedium: Wir bleiben bei einer Trefferzone von 15x15cm, umrandet von einer Charlie-Zone oder verwenden eine IPSC Vollscheibe.
Die Distanz: Je nach Fähigkeiten des Schützen wird auf 10 oder 15m geschossen. Wichtig ist aus der liegenden Position vorher zu überprüfen, dass der Stand sicher auf der Entfernung im Liegen genutzt werden kann. Stehen die Targets zu weit vom Kugelfang entfernt oder ist dieser nicht hoch genug kann unter Umständen kein ausreichender Kugelfang gegeben sein.
Der Ablauf: Gestartet wird mit der fertig geladenen Waffe im Holster, Arme entspannt. Auf das Timersignal werden aus dem Stehen fünf Schuss abgegeben, gefolgt von einem Speed Reload (wie vom IPSC bekannt wird ein teilentleertes Magazin ausgeworfen und ein neues nachgeführt) und dem Positionswechsel ins Knien. Aus der knieenden Position werden wieder fünf Schuss geschossen bevor in die liegende Position gewechselt wird und die letzten fünf Schuss abgegeben werden. 15 Schuss, drei Schießpositionen, zwei Positionswechsel und ein Magazinwechsel – ein kompakter Drill der es in sich hat.
Die Wertung: Jedes Alpha wird mit +0 Sekunden gewertet, jedes Charlie mit +0,5 Sekunden und jedes Delta oder Mike mit +20 Sekunden.
Das Trainingsziel: Der Fokus liegt hier klar darauf schnell Positionen einzunehmen, bietet aber auch noch mehr. Der Magazinwechsel, während man eine neue Position einnimmt, trainiert die Effizienz, was Zeit spart, und eine Fünf-Schuss-Serie zeigt, wie gut mein Anschlag in der jeweiligen Position funktioniert.
Sicherheit ist stets das Wichtigste, daher ist während der Positionswechsel der Zeigefinger lang und wenn vorhanden die manuelle Sicherung eingelegt.
Tipp: Im Liegendanschlag mit der Kurzwaffe bietet es sich an sich leicht auf den Oberarm der Schusshand zu rollen und diesen flach aufzulegen. Ebenso macht es das Leben leichter die Waffe, wenn möglich, nicht zu verkanten.
Fazit
Das Internet bietet etliche weitere interessante und spannende Drills. Im Zeitalter von YouTube, Instragram und Patreon lässt sich unbegrenzt Inspiration finden.
Für uns gibt es in erster Linie zwei Arten von Drills – ähnlich dem Training im Fitnessstudio. Übungen die die gesamte Palette an Fähigkeiten des Schützen fordern und Isolationsübungen.
Ganzheitliche Drills dienen der eigenen Fähigkeitsüberprüfung und helfen dabei insbesondere unbekannte Schwächen aufzuzeigen. Isolationsübungen eignen sich gut, um an identifizierten Schwächen zu arbeiten.
Generell gilt, Zeit und Präzision sind unsere Gradmesser, Ehrlichkeit zu uns selbst die Basis, um zu wachsen und nur Disziplin führt zum Erfolg.
Eines meiner liebsten Zitate, weil darin viel Wahrheit und Motivation wie auch eine Mahnung steckt:
Hard work beats talent – Author unbekannt
In diesem Sinne, viel Spaß auf dem Weg ein besserer Schütze zu werden!
Text und Bilder: Alexander Roßmanith, Oliver Falk (HunTac GmbH & Co. KG)