Die Uhr im taktischen Context - Unverzichtbares Werkzeug?

Wie beeinflusst Zeit unser Verhalten und unsere Entscheidungen? Wieso brauchen Einsatzkräfte Uhren? Und welche eignen sich?

Timing ist alles.

Die ersten Menschen orientierten sich am Tag-Nacht-Rhythmus. Erst um 3000 v. Chr. [1] wurden die ersten Zeitmesser entwickelt, die den Stand der Sonne als Referenz nutzten. Eine bedeutende Neuerung folgte mit der Erfindung der Wasseruhr, die auch bei schlechtem Wetter nutzbar war. Diese Art von Zeitmessern wurde besonders im antiken Ägypten und dem Nahen Osten für astronomische Beobachtungen in der Nacht verwendet. Im antiken Griechenland wurde um 300 v. Chr. eine der ersten mechanischen Uhren konstruiert, die Rotationsenergie nutzte. Die heute bekannten Zahnräder-Uhren kamen jedoch erst im 13. Jahrhundert in Europa auf.

Im Laufe der Zeit wurden diese Zeitmesser immer weiter verfeinert, bis im 16. Jahrhundert schließlich Taschenuhren aufkamen, die mit Federn betrieben wurden. Große Pendeluhren wurden in Kirchentürmen installiert, um auch der Bevölkerung einen Zugang zur Zeitmessung zu ermöglichen. Schon damals spielten Uhren auch im Militär eine große Rolle: Angriffe und Hinterhalte wurden genau koordiniert, um taktische Vorteile zu sichern. Die Präzision und Zuverlässigkeit der damaligen Zeitmesser konnten das Schicksal ganzer Schlachten beeinflussen. Im Ersten Weltkrieg beispielsweise mussten Soldaten synchron an verschiedenen Frontabschnitten in den Kampf ziehen, um Ihre Erfolgsaussichten zu maximieren. Ironischerweise waren es genau diese Uhren, die am 11.November 1918 um punktgenau 11:00 Uhr dann den Waffenstillstand in Kraft treten ließen. Im Zweiten Weltkrieg setzten deutsche Luftstreitkräfte [2] auf die sogenannte Beobachtungsuhr (B-Uhr), die sich als eines der wichtigsten Instrumente erwies. Diese Uhren waren so präzise und widerstandsfähig gegenüber Temperaturschwankungen, Druckveränderungen, Wasser und Vibrationen, dass sie bis heute Maßstäbe für die Uhrenindustrie setzen. Jahrzehntelang galten diese Uhren als Standard, bis sie durch Quarzuhren ersetzt wurden, die sowohl in analoger als auch in digitaler Form erhältlich sind.

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Bild oben: Ein Green Beret auf der "Fuerzas Comando 2022", einem internationalen Wettbewerb für Spezialkräfte. Wir sehen: Egal wo auf der Welt, die kleinen Zeitmesser sind für Einsatzkräfte unverzichtbare Werkzeuge. Sie bringen Struktur und Organisaton - und damit auch: Erfolg. Quelle: reddit.com/SpecOpsArchive | U.S. Army

 

Heute scheint die Armbanduhr vielerorts fast überflüssig, da Mobiltelefone allgegenwärtig sind und die Zeit anzeigen. Doch für Einsatzkräfte bleibt - meines Erachtens - die Armbanduhr ein unverzichtbares Werkzeug. Dieses wurde mir schnell klar, als ich während meiner Ausbildung stets unter Zeitdruck stand und schnell an verschiedenen Orten sein musste. Der Blick auf das Handy, um die Zeit zu überprüfen, wurde von den Ausbildern nicht gern gesehen – und zog Konsequenzen nach sich. Um dem zu entgehen, legte ich mir meine Armbanduhr zu. Seitdem hatte ich die Zeit im Blick, ohne auf mein Handy angewiesen zu sein, was zudem im Einsatz viel professioneller wirkt. Zudem hat man sein Handy möglicherweise nicht immer griffbereit oder sollte es aufgrund von spezieller Einsatzbedingungen nicht dabeihaben. Eine Armbanduhr hingegen ist stets am Handgelenk. Ein praktischer Nutzen, den ich im Rettungsdienst gelernt habe, ist z.B. das Messen des Pulses mithilfe der Uhr: Den Radialpuls am Handgelenk ertasten, 15 Sekunden lang die Schläge zählen und das Ergebnis mit vier multiplizieren – ganz ohne teuren Defibrillator.

Die Qual der Wahl - welche ist die richtige?

Neben der Funktionalität bringt die Wahl der richtigen Uhr einen zusätzlichen Vorteil mit sich: Sie stellt ein stilvolles Accessoire dar. Zwischen all den „modischen Gear“ ist eine funktionelle Armbanduhr oft das beste bzw. praktische Accessoire, das man sich zulegen kann. Berühmte Filmfiguren haben bestimmte Modelle ikonisch gemacht, wie Marty McFly („Zurück in die Zukunft“) und Mike Wheeler („Stranger Things“) mit ihrer Casio CA53-W. Auch James Bond (Sean Connery) vertraute nicht nur auf seine Walther PPK, sondern auch auf seine Rolex Submariner 6538. Die Omega Speedmaster schaffte es sogar bis auf den Mond. 

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Bild oben: Getty Images/Gabe Conte

 

Je nach Art des Einsatzes kann auch die Wahl der Uhr entscheidend sein. Einige bevorzugen klassische mechanische Uhren, andere setzen auf Quarzuhren, und wieder andere schätzen die Funktionen einer „Smartwatch“. Beginnen wir bei den preiswertesten Modellen: Die Casio F91W ist ein Klassiker, der sich kaum übersehen lässt. Diese Uhr ist äußerst robust und funktional, die Batterie hält außergewöhnlich lange, und sie ist zu einem sehr erschwinglichen Preis erhältlich – ideal, um den strapazierenden Alltag eines Einsatzes zu überstehen. Allerdings hat dieses Modell aufgrund seines geringen Preises und der integrierten Weckfunktion auch einen fragwürdigen Ruf erlangt. Sie wurde oft als „die bevorzugte Uhr von Terroristen“ bezeichnet, da sie u.a. gerne für den Bau von IED's ("Improvised Explosive Device", zu deutsch: Improvisierte Sprengladungen - gerne platziert am Wegesrand) genutzt wurde. [3] Auch ist sie gegen Störsender unempfindlich, was sie für den Einsatz unter speziellen Bedingungen attraktiv macht. Auch der ehemalige Al-Qaida-Führer Osama bin Laden wurde des Öfteren mit einer Casio-Uhr an seinem Handgelenk gesichtet. Mach mit dieser Information, was du willst.

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Bild oben: Ein Aufklärungsfeldwebel der Unterstützungskräfte des Kommando Spezialkräfte, eingesetzt im Bereich "Technical Exploitation Operations‘ (kurz TEO), zuständig für Beweis- und Spurensicherung. Auch sie vertraut auf eine F91W von CASIO. Quelle: Bundeswehr

 

Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die G-Shock-Modelle, die sich sowohl bei regulären Einheiten als auch bei Spezialeinheiten großer Beliebtheit erfreuen. Diese Uhren sind besonders stoß- und sturzresistent und bieten zusätzliche Funktionen, die für extreme Bedingungen geeignet sind. Viele Modelle sind bis zu 100 Meter wasserdicht, was besonders bei maritim eingesetzten Einheiten wie den SEALs oder MARSOC geschätzt wird. Allerdings haben diese Quarzuhren auch einen Nachteil: Die Batterien können unter extrem heißen oder kalten Temperaturen schneller leer werden. Ist die Batterie einmal erschöpft, ist die Uhr unbrauchbar. Hier kommen die mechanischen Uhren ins Spiel. Automatikuhren bieten einen enormen Vorteil: Solange man sich bewegt, bleibt die Uhr in Gang, da ein kleines Gewicht im Inneren sich bei jeder Bewegung dreht und die Uhr so kontinuierlich aufzieht. In Bezug auf das Budget kann man hier flexibel sein. Hersteller wie Seiko bieten exzellente mechanische Uhrwerke zu erschwinglichen Preisen. Alternativ gibt es auch hochpreisige und exklusive Modelle, die nicht nur präzise, sondern auch ästhetisch ansprechend sind. Berichten zufolge hat das britische Verteidigungsministerium 100 Exemplare der Explorer II für die Mitglieder des 22 SAS bestellt, jeweils mit einer Gravur des legendären Symbols und des Mottos „Who Dares Wins“. Mechanische Uhren bieten dabei einen entscheidenden Vorteil: Sie sind gegen elektronische Störmaßnahmen immun, was sie besonders für Einsätze in sensiblen Bereichen prädestiniert. Zudem bleibt eine Automatikuhr, solange sie getragen wird, funktionsfähig. Sie ist nicht auf eine Batterie oder einen Aufzug angewiesen. Der größte Nachteil besteht jedoch im hohen Preis, den ein solches Stück Feinmechanik mit sich bringt.

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Bild oben: Keine Entschädigung für all die Strapazen, die die Mitglieder 22 SAS auf sich nehmen müssen, wohl aber eine Würdigung. Quelle: Christie‘s Online Auction

 

Uhren mit Bildschirmen - "Damn Jimmy, thats some serious gourmet shit!"

Die letzte Kategorie, über die wir sprechen müssen, sind die Smartwatches. Es gibt viele Hersteller, die eine Vielzahl an Funktionen bieten. Die wohl wichtigsten für eine Einsatzkraft sind jedoch die Tracking-Funktionen für Puls, Sauerstoffsättigung und Positionsbestimmung. Mithilfe dieser Parameter kann der Athlet sein Training maximal effizient gestalten. Laufen im GA1-Bereich hilft enorm, die Grundlagenausdauer im aeroben Bereich zu steigern, viel mehr als zum Beispiel das anaeroben Laufen in Höchstgeschwindigkeit mit einem Puls, der einem das Herz aus der Brust springen lässt. Nur muss man auch erstmal wissen, in welchem Bereich man gerade läuft. Dazu hilft die Messung von Puls und Sauerstoffsättigung. Durch Messung jener Werte wird es möglich, die Effizienz des Körpers zu bestimmen, die Trainingsintensität anzupassen und herauszufinden, wie lange eine optimale Regeneration dauert. Auch im Bereich des Wandern oder "Survival" liefert eine solche Uhr wertvolle Daten wie Gehrichtung durch Kompass und GPS-Positionsbestimmung, ganz abseits des normalen Mobilfunks. So lässt sich mit einer analogen Karte und Koordinaten genau bestimmen, wo man sich befindet. Natürlich gibt es aber auch viele Funktionen für den Alltag, die jedoch nicht besonders einsatzrelevant sind. Dank Smartwatch reicht ein kurzer Blick auf die Uhr aus, um zu sehen, ob der Einsatzleiter anruft. Ganz ohne, dass man das Handy im Getümmel hervorholen muss.

Nun zu den Nachteilen dieser Uhren: Zwei sind relativ offensichtlich: Aufgrund der vielen Funktionen verbraucht die Uhr viel Energie und muss häufig aufgeladen werden, was gerade im Outdoorbereich oder bei längeren Einsätzen problematisch sein kann. Außerdem ist es Kollegen schon öfter passiert, dass das empfindliche Display im Einsatz zersplitterte – die sogenannte "Spider-App“ lässt grüßen. In Anbetracht der hohen Kosten für eine Displayreparatur lohnt es sich oft mehr, eine komplett neue Uhr zu kaufen. Darüber hinaus sind Smartwatches in manchen polizeilichen und militärischen Einheiten verboten, da sie potenziell feindlichen Kräften eine ungewünschte Aufklärung ermöglichen. Die Apps auf diesen Uhren bieten Tracking-Funktionen – und wer kann das sehen? Im schlimmsten Fall jeder. So gab es 2018 ein großes Datenleck, bei dem von der App „Strava“ eine sogenannte „Heat Map“ (eine Karte, die zeigt, wo Menschen häufig laufen) öffentlich zugänglich wurde. [4] Wer läuft gerne viel und schnell? Richtig, Spezialeinheiten weltweit. So wurden zum Beispiel geheime US-Basen im Irak, in der Sierra Nevada und in Polen aufgrund von Laufdaten entdeckt. Denn wer läuft schon 20 km mit einer Pace von 5:00 min/km in der Wüste, wo laut Google Maps nur Sand zu sehen sein sollte?

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Bild oben: strava.com

Abschließend lässt sich keine der verschiedenen Uhren glasklar und ohne "drawbacks" empfehlen, doch aus meiner langjährigen Erfahrung und meinen Einsätzen kann ich eines mit Sicherheit sagen: Es lohnt sich definitiv, eine Uhr zu tragen. In einer Welt, in der Smartphones allgegenwärtig sind, ist der ständige Blick auf das Display mittlerweile zur Gewohnheit geworden – und es ist wichtig, sich bewusst davor zu schützen. Indem man regelmäßig auf das Handy verzichtet, tut man nicht nur seinem Dopaminhaushalt etwas Gutes und verschafft sich eine kleine Pause von der ständigen Reizüberflutung, sondern spart auch den Akku für den Notfall.  Zusätzlich gilt: Eine Einsatzkraft kann sich die Ablenkung, die bei der Nutzung des Smartphones entsteht, schlichtweg nicht leisten. Im Einsatz zählt jede Sekunde und jedes Detail. Daher bin ich fest davon überzeugt, dass jede Einsatzkraft eine Uhr tragen sollte – und sei es nur, um dem freundlichen Bürger, der nach der Uhrzeit fragt, eine Antwort zu geben.

 

 

Ben

 

Quellen zum Artikel:

Titelbild: Luminox.com

[1] https://de.m.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Zeitmessger%C3%A4te

[2] https://www.chronext.de/magazin/stories/zeitfrage-auf-welche-uhrenhersteller-verlaesst-sich-das-militaer#eine-kleine-einfuehrung-in-die-faszinierende-welt-der-militaeruhren

[3] https://www.watchesofespionage.com/blogs/woe-dispatch/digital-watches-global-war-on-terror

[4] https://theweek.com/91257/strava-fitness-app-reveals-us-military-bases